Das Promotionsprojekt untersucht diese bisher von der Forschung wenig beachteten populären Ausprägungen protektionistischer Agitation im Hinblick au die breitere politische Kultur des amerikanischen Protektionismus. Die Arbeit analysiert, wie populärprotektionistische Organisationen und Aktivisten versuchten, protektionistische Positionen in der öffentlichen Diskussion zu verankern, und wie es so gelang, die angesichts der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung immer drängenderen zollpolitischen Reformbemühungen zu unterbinden. Dabei geht die Arbeit von einem breiteren Protektionismusbegriff aus und versteht den amerikanischen Protektionismus dieser Epoche als eine genuin politische Denkweise, die sich nicht auf materielle und wirtschaftliche Erwägungen beschränkte, sondern diese fest mit weiteren ideologisch-politischen Dispositionen wie Nationalismus, Exzeptionalismus, Imperialismus und verschiedenen Formen der Xenophobie verband.
Es ist eine der Grundannahmen der Arbeit, dass Ansätze, die von einem engen, rein wirtschaftlichen Protektionismusbegriff ausgehen, der die breiteren politischen, kulturellen und teils auch identitätsstiftenden Aspekte protektionistischer Ideen übersieht, ungeeignet sind, das Phänomen des amerikanischen Protektionismus und seine erstaunliche Langlebigkeit hinreichend zu erklären. Letztlich zielt das Projekt damit auf einen kulturell-ideologisch unterfütterten Erklärungsansatz wirtschaftspolitischer Überzeugungen, wie ihn Frank Trentmann für den britischen Fall als eine „colour version of political economy“ umschrieben hat. Die Analyse populärprotektionistischer Agitationsformen beleuchtet zudem, wie das eher alltagsfremde und komplexe Thema der Importzollpolitik seitens protektionistischer Aktivisten gezielt popularisiert, d.h. für ein breiteres Publikum aufbereitet, erklärt und auch emotionalisiert wurde. Ebenso ermöglicht das Projekt eine Annäherung an die Frage, wie einfache AmerikanerInnen die intensiven Zolldiskussionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wahrnahmen, diese mit sich und ihrer eigenen Lebenssituation verbanden und sich in diese einbrachten.
Damit schließt die Arbeit an neuere Forschungen zur amerikanischen Demokratiegeschichte an und fragt nach den sich entwickelnden Techniken der politischen Agitation und Beeinflussung der öffentlichen Meinung, aber auch nach den Regeln der öffentlichen politischen Auseinandersetzung, die in der sich entfaltenden amerikanischen Massendemokratie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts neu verhandelt wurden. Die Dissertation entsteht im Rahmen des B11-Projekts „Protektionismus und Sozialpolitik in den Amerikas, 1890-2020“ des Sonderforschungsbereichs 1342 „Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik“.