Endlich eine kompetente Stimme gegen die Propagandamaschine des journalistischen Mainstreams. Während man schon 2010, während der ersten sogenannten Griechenlandkrise in Deutschland auf das marode politische System Griechenlands und die angeblich dubiose Mentalität der Griechen eindrosch, was das Zeug hielt, legte der heutige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis gemeinsam mit dem US-Ökonomen James K. Galbraith und dem ehemaligen Wirtschaftsberater Harold Wilsons und Jacques Delors, Stuart Holland, eine tiefreichende Ursachenanalyse für die Eurokrise vor. Danach weist die Architektur der Eurozone systemische politische und ökonomische Mängel auf. Der gravierendste ist nach dieser Analyse das Fehlen eines europäischen Recycling-Mechanismus zwischen Defizit- und Überschussländern. Tatsächlich stehen sich In Europa zwei gigantische Berge gegenüber. Ein vor allem durch die diversen Bankenrettungen verursachter Berg öffentlicher Schulden auf der einen Seite und ein Berg von Ersparnissen sowohl in den Unternehmen als auch in den Haushalten auf der anderen. Der Marktkapitalismus und die Politik haben unübersehbar ihre Fähigkeit verloren, Verhältnisse zu schaffen, in denen dieses gewaltige Kapital in Aktivitäten investiert werden kann, die Einkommen ermöglichen, mit denen die Schulden bezahlt werden können. Das von einer rücksichtslosen Oligarchie ausgeplünderte Griechenland mit seiner vor allem auf Tourismus und Landwirtschaft basierenden Volkswirtschaft ist hier nur das schwächste Glied der Kette, oder eben der sprichwörtliche Kanarienvogel im Bergwerk, der zuerst stirbt, wenn die Atmosphäre ins Toxische umschlägt. Ein vom neuen griechischen Finanzminister bei seinen Treffen mit Amtskollegen in den vergangenen Woche oft bemühtes Bild.
Der selbstbewusste deutsche Exportweltmeister dagegen kultiviert trotzig den Stolz auf seine Leistungen, die unter anderem durch jahrelang zurückgehende Reallöhne und einen dramatische Rückbau der sozialen Sicherungssysteme möglich wurden. Vielleicht reagiert er deshalb so ungehalten, wenn man ihm entgegenhält, dass die Gewinne der einen die Schulden der anderen sind, und dass Nachhaltigkeit in der Europäischen Union und schon gar nicht in der von Währungsschwankungen geschützten Eurozone nicht auf der neoliberalen Devise „The Winner takes it all“ beruhen kann. Wenn alle systematisch den Gürtel Jahr für Jahr enger schnallen, endet das im kollektiven Selbstmord. Man kann eben nicht beides haben, die makroökonomischen Vorteile des weltweit größten Wirtschaftsraums und einen erbitterten Standortwettbewerb seiner Mitglieder untereinander.
Könnte es sein, dass Juristen wie Wolfgang Schäuble solche fundamentalen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge nicht verstehen können? Oder ist die Weigerung die Notwendigkeit eines europäischen Überschussrecyclings einzusehen auf den politischen Populismus hierzulande zurückzuführen. Das Bild von der sparsamen schwäbischen oder im Falle Schäubles badischen Hausfrau, die Einnahmen und Ausgaben in ihrer Haushaltskasse peinlich genau im Gleichgewicht hält, ist den Wählern ja so einfach zu vermitteln. Dass das eine Milchmädchenrechnung ist, und Mikro- nur sehr mittelbar mit der Makroökonomie zu tun hat, bedürfte dagegen einer aufklärerischen Anstrengung.
Es ist also höchste Zeit, auf Ultimaten zu verzichten und die Vorschläge der Athener Reformer ohne Polemik zu prüfen, anstatt beinhart auf die Einhaltung von Vereinbarungen zu pochen, die man den Vorgängerregierungen in Athen in Stunden höchster Not aufgezwungen hat.
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