Der Vortrag betrachtet die innerstädtischen Siedlungsverhältnisse der jüdischen Gemeinde in der Reichs- und Messestadt Frankfurt a.M., wobei der Fokus auf den konkret-topographischen nachbarschaftlichen Räumen zwischen Juden und Christen, den in jüdischem Eigentum stehenden Privatgebäuden sowie zentralen Gemeindeinstitutionen seit dem späten 13. Jahrhundert liegt. Auf dieser Grundlage werden im Anschluss die innerstädtischen Diskussionen über das Für und Wider von Vertreibung oder Umsiedlung der jüdischen Minderheit betrachtet, die seit den 1430er Jahren geführt wurden und mehr als zwei Dekaden in freilich unterschiedlicher Intensität greifbar sind. Diese kamen erst mit dem Beschluss zur Errichtung einer Judengasse im Jahr 1462 zum Erliegen - einer eigens errichteten, in innerstädtischer Randlage gelegenen Gasse, in der die Frankfurter Jüdinnen und Juden bis zum Ende des Alten Reichs zwangsweise leben mussten. Aufgrund der sehr früh erfolgten räumlichen Segregation stellt die Frankfurter Judengasse damit gewissermaßen den Prototyp für frühneuzeitliches jüdisches Leben in größeren Städten dar.
Ringvorlesung "Die Vertreibung der Kölner jüdischen Gemeinde 1423/1424 im europäischen Kontext"
Vor 600 Jahren, im August 1423, fasste der Rat der Stadt Köln den Beschluss, die Aufenthaltsgenehmigung für Juden und Jüdinnen in Köln nicht mehr zu verlängern. Der jüdischen Gemeinde Kölns sollte nur ein Jahr Zeit bleiben, um ihre Habe vor Ort zu verkaufen und einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Ihr Auszug bedeutete das Ende der dauerhaften jüdischen Ansiedlung innerhalb der Stadt für die nächsten fast vier Jahrhunderte. Über dieses einschneidende Ereignis informiert uns heute nur noch ein kurz gefasstes Ratsprotokoll. Erst acht Jahre später legte der Stadtrat seine Gründe für die Vertreibung in einem Brief an Sigismund, den königlichen Stadtherrn und damit obersten Schutzherrn der Kölner jüdischen Gemeinde, dar.
Ausgehend von den Kölner Ereignissen thematisiert die Ringvorlesung die große Zahl an Judenvertreibungen im europäischen Kontext, die ab dem 14. Jahrhundert wellenartig einsetzten. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass sollen auch die massiven Auswirkungen für Jüdinnen und Juden in den Blick genommen werden.
Die Ringvorlesung im Wintersemester 2023/24 beginnt im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museums und findet anschließend an den Universitäten Köln und Münster statt. Aufgrund der beiden universitären Standorte werden die einzelnen Vorträge der ausgewiesenen Expert:innen nicht nur als Präsenzveranstaltung gehalten, sondern parallel auch über einen Livestream zugänglich gemacht. Die entsprechenden Links sind kurz vor den Terminen auf den Seiten https://histinst.uni-koeln.de/forschung/forschungsstellen/geschichte-koelns/aktuelles und https://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/LG-G/Termine/ringvorlesung.html verfügbar.