Die Gefangennahme, Erpressung zur Zwangstaufe und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung des Herzogtums unter der Enns – heute Wien und Teile Niederösterreichs – durch Herzog Albrecht V. 1420/21 reihen sich in die Vertreibungsereignisse der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein. Allerdings stellen zwei Phänomene eine Zuspitzung der üblichen Judenfeindschaft dar: die grausame Verbrennung von etwa 210 Jüdinnen und Juden auf dem Scheiterhaufen und die Tatsache, dass die Verfolgung von höchster politischer Stelle, durch den Judenschutzherrn angeordnet worden war. Martha Keil zeigte in ihrem Vortrag den historischen Kontext, die Ereignisse und deren Spuren in den Quellen sowie die Auswirkungen auf die betroffenen Frauen und Zwangsgetauften auf. Am Schicksal der letzteren diskutierte sie die Motivation Albrechts V. als Kämpfer für eine radikale christliche Lehre, die in letzter Konsequenz das Judentum als christliche Ketzerei bewertet und vernichtet.
Ringvorlesung "Die Vertreibung der Kölner jüdischen Gemeinde 1423/1424 im europäischen Kontext"
Vor 600 Jahren, im August 1423, fasste der Rat der Stadt Köln den Beschluss, die Aufenthaltsgenehmigung für Juden und Jüdinnen in Köln nicht mehr zu verlängern. Der jüdischen Gemeinde Kölns sollte nur ein Jahr Zeit bleiben, um ihre Habe vor Ort zu verkaufen und einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Ihr Auszug bedeutete das Ende der dauerhaften jüdischen Ansiedlung innerhalb der Stadt für die nächsten fast vier Jahrhunderte. Über dieses einschneidende Ereignis informiert uns heute nur noch ein kurz gefasstes Ratsprotokoll. Erst acht Jahre später legte der Stadtrat seine Gründe für die Vertreibung in einem Brief an Sigismund, den königlichen Stadtherrn und damit obersten Schutzherrn der Kölner jüdischen Gemeinde, dar.
Ausgehend von den Kölner Ereignissen thematisiert die Ringvorlesung die große Zahl an Judenvertreibungen im europäischen Kontext, die ab dem 14. Jahrhundert wellenartig einsetzten. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass sollen auch die massiven Auswirkungen für Jüdinnen und Juden in den Blick genommen werden.
Die Ringvorlesung im Wintersemester 2023/24 beginnt im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museums und findet anschließend an den Universitäten Köln und Münster statt. Aufgrund der beiden universitären Standorte werden die einzelnen Vorträge der ausgewiesenen Expert:innen nicht nur als Präsenzveranstaltung gehalten, sondern parallel auch über einen Livestream zugänglich gemacht. Die entsprechenden Links sind kurz vor den Terminen auf den Seiten https://histinst.uni-koeln.de/forschung/forschungsstellen/geschichte-koelns/aktuelles und https://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/LG-G/Termine/ringvorlesung.html verfügbar.