Im Gefolge der antijüdischen Pogrome von 1391 verschärfte sich der Konversionsdruck auf jüdische Gemeinden in Spanien. Die steigende Zahl von Konvertiten führte zu einer zunehmenden Konkurrenz mit sogenannten Altchristen um knappe Ressourcen im Bereich politischer und kirchlicher Ämter. Im Umfeld des Aufstandes von Toledo von 1449 kam es erstmals zu rassistischen Anschuldigungen gegen Konvertiten, denen vorgeworfen wurde, auch nach der Taufe bliebe bei ihnen der vermeintliche Makel des "unreinen" jüdischen Blutes bestehen. Während manche Exponenten altchristlicher Reinheitsvorstellungen behaupteten, bei den Konvertiten handele es sich gar nicht um aufrichtige Christen, sondern um karrieristische Heuchler, verwiesen Vertreter der Konvertiten auf ihr ehrliches und aufrichtiges Bekenntnis zum Christentum. Sie verfassten theologische Traktate, die unter Bezugnahme auf neutestamentliche Texte eine judenchristliche Theologie entwarfen, und sie gaben Kunstwerke in Auftrag, die die Konvertiten als fromme Stifter inszenierten oder auch jüdische Praktiken wie die Beschneidung innerhalb des Kirchenraumes vor Augen stellten. Aber nicht nur Konvertiten wiesen die judenfeindlichen Anschuldigungen der Altchristen zurück; auch Juden griffen zu Mitteln der Selbstbehauptung, vor allem durch jüdische Historiographie. Shlomo ibn Verga verfasste vor diesem Hintergrund eine Interpretation der jüdischen Geschichte, die vermitteln sollte, wie die jüdische Gemeinde in der Diaspora überleben konnte. Der Vortrag ordnet die antijüdischen Maßnahmen in den politischen, religiösen und kulturgeschichtlichen Kontext ein und vergleicht die Politik gegenüber den Juden mit der Haltung spanischer Herrscher zu ihren muslimischen Untertanen, den Mudejaren, die - anders als die Juden - zu Lebzeiten der Katholischen Könige zumindest aus dem Königreich Aragón nicht vertrieben wurden.
Ringvorlesung "Die Vertreibung der Kölner jüdischen Gemeinde 1423/1424 im europäischen Kontext"
Vor 600 Jahren, im August 1423, fasste der Rat der Stadt Köln den Beschluss, die Aufenthaltsgenehmigung für Juden und Jüdinnen in Köln nicht mehr zu verlängern. Der jüdischen Gemeinde Kölns sollte nur ein Jahr Zeit bleiben, um ihre Habe vor Ort zu verkaufen und einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Ihr Auszug bedeutete das Ende der dauerhaften jüdischen Ansiedlung innerhalb der Stadt für die nächsten fast vier Jahrhunderte. Über dieses einschneidende Ereignis informiert uns heute nur noch ein kurz gefasstes Ratsprotokoll. Erst acht Jahre später legte der Stadtrat seine Gründe für die Vertreibung in einem Brief an Sigismund, den königlichen Stadtherrn und damit obersten Schutzherrn der Kölner jüdischen Gemeinde, dar.
Ausgehend von den Kölner Ereignissen thematisiert die Ringvorlesung die große Zahl an Judenvertreibungen im europäischen Kontext, die ab dem 14. Jahrhundert wellenartig einsetzten. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass sollen auch die massiven Auswirkungen für Jüdinnen und Juden in den Blick genommen werden.
Die Ringvorlesung im Wintersemester 2023/24 beginnt im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museums und findet anschließend an den Universitäten Köln und Münster statt. Aufgrund der beiden universitären Standorte werden die einzelnen Vorträge der ausgewiesenen Expert:innen nicht nur als Präsenzveranstaltung gehalten, sondern parallel auch über einen Livestream zugänglich gemacht. Die entsprechenden Links sind kurz vor den Terminen auf den Seiten https://histinst.uni-koeln.de/forschung/forschungsstellen/geschichte-koelns/aktuelles und https://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/LG-G/Termine/ringvorlesung.html verfügbar.