Eine Frage suggeriert zunächst immer auch die Forderung nach Antworten. Antworten wiederum bergen die Intention, Ergebnisse anzubieten. ‚Was also sind die Ergebnisse‘ lautete eine der ersten Fragen nach einer zweitägigen Round Table. Um den Tisch saßen Promovierende unterschiedlicher Universitäten in Deutschland mit Themen aus dem Umkreis ihrer bildwissenschaftlich ausgerichteten Dissertationen im Fach der Klassischen Archäologie[1]. Diese Frage zielt in ihrer Effektivität auf explizite Antworten, die aufgrund der inhaltlichen Heterogenität der Themen nur zu einer ziemlich allgemeinen Zusammenfassung führen würden. Was Bilder können, wollen und sollen, für wessen Material das Konzept der Affordanzen anwendbar ist oder wer anhand der frame-Theorie Phänomene der Bildobjekte schlüssiger erläutern kann, wird vielmehr befragt und diskutiert als beantwortet.
„Bildwissenschaften – quo vadis?“ oder Warum Fragen an Bilder immer wieder neu gestellt werden (müssen). Eine Nachlese
Sarah Al Jarad | Idee Archäologie. Positionen und Konturen einer Wissenschaft
Fragen müssen nicht zwingend im Dienste des Antwortens stehen. Wissenschaft ist durch fragende Aktivität ein explorativer Prozess[2]. Abseits einer fruchtbaren Fragestellung für den zu erforschenden Gegenstand unternimmt sie auch ein Vorstoß ins Offene. Fragen können vergessene, übersehene oder neue Perspektiven zum Vorschein bringen.
„Alles Fragen und Wissenwollen setzt ein Wissen des Nichtwissens voraus – und dies so, daß es ein bestimmtes Nichtwissen ist, das zu einer bestimmten Frage führt.“
H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik (Tübingen 1990) 371.
Fragen gilt als grundlegende Kulturpraktik des Menschen[3]. Schließlich wird das Fragenstellen in den Erziehungswissenschaften als ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von Kleinkindern bewertet[4]. Mit Fragen erschließen wir uns die Welt und sie signalisieren Neugier. Damit ist die Potenzialität des Fragens nicht ausgeschöpft.
Folgt man Hans-Georg Gadamer in seiner Gleichsetzung von Frage und Einfall[5], wächst – positivistisch formuliert – mit jeder Frage auch ein Wissensgebiet.
Sicherlich wurden einige der Fragen (an Bildobjekte) bereits in ähnlicher Form in vorherigen Generationen gestellt. Doch die Grunddimension von Wissenschaft lautet: entdecken und wiederentdecken. Dies kann nicht nur in einem streng archäologischen Sinne auf Funde und Befunde bezogen werden, sondern meint wesentlich die Tätigkeit des Hinterfragens und Überdenkens.
„Keiner hat die Wahrheit gesagt, aber jeder hat uns gelehrt, in einer bestimmten Art und Weise nach der Wahrheit zu suchen. Dies muss man begreifen, nicht ob das, was sie gesagt haben, wahr ist, sondern die Art und Weise, in der sie nach Antworten auf ihre Fragen gesucht haben, wahr ist.“
U. Eco, Das Metier des Denkens, in: Gesammelte Streichholzbriefe (München 1995) 42 f.
Ist das Zitat zwar auf den Umgang mit vorausgegangenen Philosophen bezogen, kann es verallgemeinert auch für Archäologinnen und Archäologen gelten.
„Quo vadis?“ ist die erste Frage, die gestellt wurde. Die folgenden Fragen werden vielleicht denjenigen vergangener Zeiten ähneln. Aber es sind die (neugierigen) Personen um die Bilder, die sich ändern und die weiterfragen, und damit ihre Arten und Sichtweisen beitragen.
Und diese Gruppe muss sich nun trauen, weitere Fragen zu stellen, und sich Fragen stellen zu lassen.