Von der Diskussion um die Reproduzierbarkeit von Originalen als Antwort auf verzwickte Restitutionsfragen[1] bis hin zu neuen Formen von Bildern durch die Verwendung von generativer künstlicher Intelligenz – als Objekt- und Bildwissenschaftler verfügen Archäologinnen und Archäologen über Kompetenzen, die für Fragen unserer Gegenwart relevant sind.
Archäologie als kulturhistorische Wissenschaft ist auf die Anwendung verschiedener geisteswissenschaftlicher und in bestimmten Bereichen auch vermehrt naturwissenschaftlicher Methoden angewiesen. Ausgangspunkte aller archäologischen Fachrichtungen und Spezialisierungen sind ihre Grundlage und ihr Forschungsgegenstand: die materiellen Hinterlassenschaften des Menschen und die Frage nach den Entwicklungen, Bedeutungen und Ausprägungen menschlicher Aktivität.
Archäologien produzieren Wissen zum Verständnis von vergangenen, jedoch mit der Gegenwart verbundenen Kulturen, die ein Gedächtnis unserer Gesellschaft bilden. Die fachspezifischen, insbesondere geisteswissenschaftlichen Erschließungen materieller Hinterlassenschaften lehren einen reflektierten Umgang mit verschiedenen Themen, der über die Anhäufung von Fachwissen hinaus Denkmöglichkeiten und -praktiken eröffnet.
Die Bedingungen, unter denen archäologische Wissenschaft im 21. Jahrhundert betrieben werden kann, stehen einem solchen Fachverständnis jedoch mitunter deutlich entgegen. Ein Beispiel dafür ist die Klassische Archäologie an der Universität Leipzig. Trotz der Streichung der Professur seit 2017[2] wird ein nachweislich erfolgreicher und nachgefragter Studiengang angeboten, Forschung betrieben, werden Projekte durchgeführt sowie ein engagiertes Einbinden des Antikenmuseums mit Gipsabguss-Sammlung in die städtische Kulturlandschaft geleistet. Doch erneut bzw. noch immer sieht die Klassische Archäologie dort dem Verschwinden entgegen.
Ein solcher Substanzverlust kann nicht nur lokal gedacht werden. Er hat Auswirkungen auf das gesamte Fach und gesellschaftlich geteiltes Wissen. Für den wissenschaftlichen Diskurs ist es entscheidend, dass eine entsprechende Vertretung der Fächer an verschiedenen Universitäten und Standorten existiert, d.h. eine lebendige Forschungslandschaft besteht, innerhalb derer ein Studium absolviert und die (fach-)wissenschaftliche Qualifizierung gefördert wird.
Wissenschaftsökologisch ist langfristiges Gedeihen nur möglich, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden sind. Eine Investition in diese Rahmenbedingungen würde sich an Fachdisziplinen richten, die kritisches Denken sowie Erschließungskompetenzen lehren, die den kommenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen, auch fachfremde Themen in ähnlicher Reflexivität zu begreifen. Sie richtet sich an Fächer, die Wissensgebiete erforschen, die zwischen Erkenntnisinteresse und Neugier Fragen entfalten und diese ausgehend von den materiellen Spuren unserer Vergangenheit, die bspw. Stadtbilder prägen oder Museen füllen und damit stets der Gegenwart angehören, beantworten.
Welches Spektrum und welche Konturen Archäologien haben sowie annehmen können, soll in dieser Beitragsreihe zu Vorschein kommen.
Diese Reihe kann und soll vieles sein: ein Forum, ein Anreiz, ein Raum für Ideen.
Versammelt werden Beiträge und Positionen, die über die Relevanz von Archäologie nachdenken und die vorhandene Aktualität sowie das Potenzial einer Befund-, Objekt- und Bildwissenschaft formulieren: Ausgehend von einem konkreten Objekt oder ausgewählten Bild werden mit archäologischen Mitteln Ideen von Archäologie entwickelt und dabei Wissensgebiete, Erkenntnisinteressen und die Neugierde des Faches konturiert.
In einem regelmäßigen Turnus werden hier Ideen und Positionen von Archäologinnen und Archäologen geteilt. Das Format richtet sich an interessierte Leserinnen und Leser, die diesen Konturen nachgehen möchten.
Nachfragen oder Interesse an einer Beteiligung gerne an folgende Adresse richten: ideearchaeologie@web.de