"Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!", war eine der populärsten Parolen der deutschen Friedensbewegung in den 1980er Jahren. So nah schien den damaligen Aktivisten ein bevorstehender militärischer Konflikt zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Hintergrund war das nukleare Wettrüsten in den 1970er Jahren, bei dem die Sowjetunion und die USA jeweils atomar bestückte Mittelstreckenrakten in Europa aufstellen wollten. In diesem Zusammenhang fiel Ende 1979 der NATO-Doppelbeschluss, in dem Moskau aufgefordert wurde, die in Ost- und Ostmitteleuropa aufgestellen SS-20-Raketen innerhalb von fünf Jahren wieder abzubauen, sonst würde man Westeuropa mit Mittelstreckenraketen des Typs Pershing II sowie mit Marschflugkörpern, sogenannten Cruise Missiles, aufrüsten. Dieser doppelte Beschluss der NATO war in der Bundesrepublik stark umstritten und führte unter anderem zum Bruch der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die SPD solidarisierte sich seither mit der deutschen Friedensbewegung, der es gelang, im Herbst 1983 rund 500.000 Menschen auf die Hofgartenwiese in Bonn zu mobilisieren. Wir fragen die Historikerin Prof. Dr. Reinhild Kreis (Universität Siegen) sowie den Historiker Prof. Dr. Philipp Gassert (Universität Mannheim): Was wäre gewesen, wenn sich die Friedensbewegung mit ihrer Forderung nach Aussetzen des NATO-Doppelbeschlusses durchgesetzt hätte?
Was wäre gewesen? Kein NATO-Doppelbeschluss
Der Podcast über Kontrafaktische Geschichte mit Reinhild Kreis und Philipp Gassert
Was wäre gewesen? Kein NATO-Doppelbeschluss
Weiterführende Literatur - Tipps unserer Gesprächspartner
Reinhild Kreis, Martin Klimke und Christian Ostermann (Hrsg.), “Trust, but Verify”: The Politics of Uncertainty and the Transformation of the Cold War Order, 1969-1991, Stanford 2016.
Reinhild Kreis (Hrsg.), Diplomatie mit Gefühl. Vertrauen, Misstrauen und die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, München 2015.
Reinhild Kreis, Rüstungspolitik und Friedensbewegung: Flugblätter und Protestplakate der 1980er Jahre, in: Susanne Popp zus. mit Michael Wobring, Daniel Probst, Claudius Springkart (Hrsg.), Flugblätter – Plakate – Propaganda. Die Arbeit mit appelativen Bild-Text-Dokumenten im Geschichtsunterricht, St. Ingbert 2013, S. 73-84.
Reinhild Kreis, „Eine Welt, ein Kampf, ein Feind”? Amerikakritik in den Protesten der 1980er Jahre, in: Hanno Balz, Jan-Henrik Friedrichs (Hrsg.), „All We Ever Wanted…” Eine Kulturgeschichte europäische Protestbewegungen der 1980er Jahre, Berlin 2012, S. 136-155.
Gassert, P., Geiger, T. und Wentker, H. (Hrsg.) (2018). Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung : der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive. München ; Wien: De Gruyter Oldenbourg 2018.
Gassert, P. (2018). Bewegte Gesellschaft : deutsche Protestgeschichte seit 1945. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2018.
Becker-Schaum, C., Gassert, P., Klimke, M., Mausbach, W. und Zepp, M. (Hrsg.), The nuclear crisis : the arms race, Cold War anxiety, and the German peace movement of the 1980s. New York, NY: Berghahn 2019.