Das 1953 erschienene „Das Treibhaus” ist einer der wichtigsten politischen Romane der deutschsprachigen Literatur, eine düster-zornige Satire auf den demokratischen Neubeginn in Bonn nach Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg. Zugleich formuliert der Roman eine dystopische Kritik am westdeutschen Wiederaufbau, an dessen Städtebau und Architektur. Schließlich handelt es sich beim „Treibhaus” drittens um eine literarische Absage an die rheinisch-katholische Mentalität der frühen Bonner Republik. Das zentrale Medium dieser Auseinandersetzung ist die Treibhaus-Metapher, die seit dem 19. Jahrhundert, seit Richard Wagner und Mathilde Wesendonck Politik-, Kunst-, Bürgertums- und Kulturkritik miteinander verbindet. Der Vortrag befragt Koeppens Roman, der einen ideellen Sehnsuchts- oder Zufluchtsort allenfalls in der Literatur, insbesondere der avantgardistischen Lyrik erhoffen lässt, als Speicher von Fremdheitsgefühlen gegenüber der Bonner Republik und deutet diese nicht zuletzt als Ausdruck von Heimweh nach der untergegangenen Metropole Berlin aus den 1920er Jahren.
Der Vortrag von Dr. Benedikt Wintgens fand im Rahmen der Ringvorlesung "Sehnsuchtsorte und Heimat in der Bonner Republik" an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf statt. Die Ringvorlesung wird vom Forschungsverbund zur "Bonner Republik (Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), dem Institut "Moderne im Rheinland" an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Stadt Düsseldorf veranstaltet.