Am 5. März des Jahres ist der Historiker Hayden White im Alter von 89 Jahren gestorben. Ein entscheidendes Jahr in seinem Leben als Wissenschaftler war das Erscheinen seines bekanntesten Werks 1973: Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth Century Europe. In wenigen Worten handelte das Buch von der zentralen These, dass Geschichte auch nur eine Erzählform von vielen sei - noch knapper ausgedrückt: "Auch Klio dichtet." Mit dieser Auffassung von Geschichtsschreibung wirbelte Hayden White die Geschichtswissenschaft über den amerikanischen Kontinent hinaus auf, sofern diese noch den Standpunkt vertrat, Geschichte darzustellen, "wie es wirklich gewesen war". Wir haben den Historiker und Geschichtstheoretiker Prof. Dr. Jörn Rüsen um ein Interview zu Hayden White gebeten.
"Damals ist er überwiegend auf Ablehnung gestoßen"
L.I.S.A.: Herr Professor Rüsen, vor wenigen Tagen ist mit Hayden White einer der bedeutendsten Historiker der USA gestorben. Sein Hauptwerk "Metahistory" machte ihn weit über den amerikanischen Kontinent hinaus bekannt. Wann sind Sie erstmals mit Hayden White und seinem Werk in Berührung gekommen?
Prof. Rüsen: Die erste Berührung war natürlich die Lektüre von "Metahistory". Meine erste persönliche Begegnung hat wohl anlässlich einer Konferenz des Goethe-Instituts über Historiographie (entweder in Mailand oder in Turin) stattgefunden, in der White seine Ideen über historisches Denken und Historiographie mit führenden französischen, englischen, deutschen und italienischen Historikern diskutiert hat. Damals ist er überwiegend auf Ablehnung gestoßen, hat sich aber glänzend behauptet. Ich war einer der ganz wenigen, die seinen Ansatz, Geschichte erzähltheoretisch zu verstehen, verteidigt hat. Ich habe ihn dann mehrfach in den USA besucht und ihn auf zahlreichen Konferenzen getroffen. Genauere Zeitangaben kann ich nicht machen.