Gefechtsstaffel gebildet unter Schell. Ich an zweiter Stelle hinter Brocken. Vom Gen Kom. Mitteilung über Kriegslage. Russen versammeln sich in grosser Stärke hinter Weichsel, um uns anzugreifen. Die Truppen westlich der Weichsel sind nur ein Schleier, der uns die Versammlung verstecken und unser Vorgehen aufhalten soll. Hindenburg will diese Truppen links der Weichsel möglichst schnell vernichten, um das Gros beim Übergang über die Weichsel und womöglich noch beim Anmarsch zu stören. Die Garde Schützen, die die Spitze unseres Korps bilden sollen, ritten heute an uns querfeldein vorbei. Wir schwenkten bei Suchedniow von der grossen Chaussee Krakau-Warschau nach Rechts (östlich) ab, um die Weichsel möglichst schnell zu erreichen. Gestern waren die Russen noch in unseren Quartieren; bei Suchedniow war ein Gefecht; Verwundete, meistens Deutsche, aber auch ein Russe, kamen uns auf der Chaussee entgegen. An der zerstörten Brücke bei Suchedniow kamen in einem Auto des A.O.K. Agenten von uns mit verbundenen Augen vorbeigefahren. Die Polen sollen, wie gestern im A.O.K. erzählt wurde, zum Selbstkostenpreis für uns Spionage treiben. In Mostki in einem sehr sauberen und freundlichen Bauernhause auf Stroh einquartiert. Paul kochte. Beim Einrücken in Mostki, gegen 6 Uhr, Kanonendonner aus Nord-West; anhaltend aber ziemlich schwach in etwa 10 bis 20 km Entfernung. – Vollmondnacht in dieser Hänsel u Gretel Gegend. Unser Bauernhaus, aus Holz mit Schindeln gedeckt, liegt dicht im Walde; etwas weiter unten glänzt ein kleiner See.
2 Oct. 1914 Freitag. Mostki
Tagebucheintrag Harry Graf Kessler
Nasiruddin, PD US (WikimediaCommons)