Wie verändern sich Zeiterfahrungen beim Übergang von der Demokratie zur Diktatur? Am Beispiel von Träumen, die Charlotte Beradt in den ersten Jahren des Dritten Reichs in ihrem Berliner Bekanntenkreis sammelte, wollte die deutsch-jüdische Journalistin aufzeigen, wie angesichts von Terror und Anpassungsdruck im NS-Alltag die Wahrnehmung politischer Wirklichkeit in die Träume abwanderte. Der Historiker Reinhart Koselleck entfaltete daraus die zeittheoretische These, die Zukunft - geschichtsideologisch vom Regime okkupiert, etwa mit der Erlösungsutopie der „Volksgemeinschaft“ – enthülle sich nur noch in Traumbildern, die vom Sog künftiger Gewalt zeugten.
Gehört also zu den Machttechniken totaler Beherrschung der Versuch, nicht nur die Vergangenheit umzuschreiben und die Gegenwart gleichzuschalten, sondern auch die Zukunft zu versiegeln, bis hin zur Aufhebung geschichtlicher Zeit in den Lagern?