L.I.S.A.: Wie ist die Serie des Regisseurs Marvin J. Chomsky überhaupt entstanden? Wie erinnern sich die Beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler an die Entstehung?
Schlanstein: „Holocaust“ war eine Reaktion auf die US-Fernsehserie „Roots“ über die Geschichte der Sklaven in Amerika, eine große Filmerzählung über mehrere Generationen einer Familie. Der New Yorker Produzent Herbert Brodkin hatte die Idee zu einer ähnlich angelegten Familiengeschichte über das Schicksal der Juden in der NS-Zeit; produziert wurde diese vierteilige Serie von NBC.
Die Dreharbeiten sollten auch aus Gründen der Authentizität in Europa stattfinden, möglichst an realen Schauplätzen. Das ließ sich nicht durchhalten; aus osteuropäischen Ländern kamen Absagen, in der Bundesrepublik konnte wegen des Verbots von NS-Symbolen nur sehr eingeschränkt gedreht werden. Der größte Teil der Dreharbeiten fand in Österreich statt, unter anderem in Wien, in Allentsteig und im ehemaligen KZ Mauthausen.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich in Alice Agneskirchners Dokumentation an ihre Erlebnisse rund um die Entstehung von „Holocaust“ erinnern, schildern alle eine sehr intensive Atmosphäre an den einzelnen Drehorten. Einige von ihnen haben selbst jüdische Verwandte, was ihnen das Gefühl vermittelt hat, viel mehr als nur eine Rolle zu spielen. Besonders beklemmend muss die Drehsituation in der Gaskammer von Mauthausen gewesen sein, wo Realität und Spiel gespenstisch eng zusammengerückt sind.
Die Produktionsleiterin Pia Arnold, die die Dreharbeiten 1977 begleitet hat, erinnert sich daran, wie belastend die Szenen vor allem für die Darsteller der Nazi-Rollen waren: Michael Moriarty, der Darsteller des Karriere-Nazis Erik Dorf, habe unter Schlaflosigkeit gelitten und nächtelang Klavier gespielt, David Warner, der Reinhold Heydrich spielte, habe am ganzen Körper Ekzeme bekommen, und Ian Holm, der Darsteller von Heinrich Himmler, sei plötzlich an Masern erkrankt. Michael Moriarty fügt dem noch eine andere Beobachtung hinzu: Alle Film-Nazis wurden von britischen Schauspielern dargestellt, nur die Hauptfigur des Erik Dorf von einem Amerikaner: „Warum ein Amerikaner? Das war Absicht der Produzenten. Auch im letzten Winkel Amerikas sollte man verstehen, so etwas kann überall passieren. Nicht nur in Deutschland.“