Die deutsche Presse war während des Nationalsozialismus gleichgeschaltet. Nicht mehr Journalisten, sondern "Schriftleiter" berichteten im Dienste des Regimes über das Geschehen. Doch wie sahen die Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in Deutschland aus? Durften sie weiterhin frei berichten? Welches Deutschlandbild transportierten sie in ihre Heimatländer? Der Historiker Dr. Norman Domeier von der Universität Stuttgart geht diesen und anderen Fragen nach. Wir haben ihn um einige Antworten gebeten.
"Im Mittelpunkt stand bisher 'die andere Seite' des Journalismus"
L.I.S.A.: Herr Dr. Domeier, Sie beschäftigen sich zurzeit mit den Auslandskorrespondenten im Dritten Reich, also damit, wie ausländische Journalisten aus und über Deutschland in der Zeit von 1933 bis 1945 berichtet haben. Ist das nicht ein bereits breit untersuchtes Forschungsfeld? Was erhoffen Sie sich von Ihrer Untersuchung?
Dr. Domeier: Tatsächlich ist das Thema eine bekannte Lücke in der Geschichte des Dritten Reiches. Im Mittelpunkt stand bisher „die andere Seite" des Journalismus, also der staatliche Propaganda-Apparat mit der charismatischen Figur Joseph Goebbels an der Spitze. Ein Grund ist die Quellenlage, denn die ist immer der zentrale Punkt für die Arbeit eines Historikers: Die erhaltenen Propaganda-Akten sind recht bequem in Deutschland einsehbar. Die Nachlässe der Auslandskorrespondenten hingegen sind auf der ganzen Welt verstreut, mitunter in abgelegenen Archiven. Neben Beständen in London und Washington werde ich Material in Stockholm und Bern, in Moskau und Jerusalem einsehen müssen. Es ist bereits von der Recherchetätigkeit her ein globalgeschichtliches Thema.
Dieser Aufwand ist aber auch eine große Chance, denn ich erhoffe mir, sowohl das Mediensystem des totalitären Zeitalters als ein globales System rekonstruieren zu können, als auch den Nationalsozialismus als eine global agierende Bewegung kenntlich zu machen. Trotz aller historischen Singularität ergeben sich dadurch vielleicht Bezugspunkte für den medialen Umgang mit heutigen Diktaturen, denken Sie an das schwierige Verhältnis der Weltöffentlichkeit zu autoritären und diktatorialen Regimen wie Kuba, Venezuela, Iran, China oder Nordkorea.
Bild: Dr. Domeier
Reaktionen auf den Beitrag
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Warum geht es immer noch durch, dass Journalisten sich darauf berufen können und es als General-Absolution betrachten, dass sie damals gleichgeschaltet wurden?
Während sie dies gleichzeitig allen anderen Zeitgenossen geradezu kategorisch verweigern.
Und haben sie diese Gleichschaltung den Konsumenten auch erzählt?
Schon ein Blick in Wikipedia zeigt, dass diese einfache Erklärung der "Gleichschaltung" für viele Medien einfach nicht stimmt.
Siehe Georg von Holtzbrinck, Hugenberg etc.
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Im übrigen weiß ich selbst als langjähriger Autor bei Wikipedia - und anders als Wissenschaftler, die überhaupt nicht neutral, sondern nur objektiv sein sollen - haben wir uns wirklich Neutralität zu Ziel gesetzt. Und selbst mit besten Absichten ist das kaum zu schaffen. Denn Jeder Mensch ist durch verschiedenste Aspekte geprägt, angefangen von der Erziehung bis hin zu aktuellen politischen Entwicklungen. Und damit sind wir wieder am Beginn: keine Relativierungen des Holocausts. Auch nicht durch die Blume. Man kann manchmal richtig die Freude sehen, wenn mal ein ausländischer Forscher mit dem Wasser auf die Mühlen der sich so unterdrückt fühlenden kommt, wie sehr das die "geschundene deutsche Seele" erleichtert. "War ja nicht alles schlecht damals...".
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