Autorin: Anna Grosskopf, Universität Hamburg
Die Frage nach der Entstehung des Kunstwerks hat die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt. Bereits in der Antike wurde die Arbeit des Künstlers zum Gegenstand anekdotischer Erzählungen und populärer Mythen, die vielfach als historische Topoi tradiert wurden. Das Interesse am kreativen Schaffensakt ist umso größer, als dieser für gewöhnlich im Verborgenen stattfindet. Der Wunsch, künstlerische Produktionsabläufe sichtbar zu machen, ist Laien und Kunstwissenschaftlern gemeinsam, verspricht doch das Wissen um die Entstehungsbedingungen von Kunst auch Hilfe bei ihrer Deutung, die besonders nach dem Wegfall ikonographischer Bildprogramme in der Moderne zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert sind künstlerische Techniken Gegenstand lebhafter kunsttheoretischer und kunstkritischer Debatten, die im 20. Jahrhundert durch die immer stärkere Annäherung der künstlerischen Produktion an außerkünstlerische Verfahren eine wachsende Brisanz gewinnen. In Karikaturen auf die Arbeit des Künstlers, die seit etwa 1830 in europäischen Satiremagazinen begegnen, sind diese Auseinandersetzungen reflektiert. Die Auswertung der Karikaturen verspricht Einblick in moderne Strategien der Inszenierung, Bewertung und Vermittlung künstlerischer Techniken, die entscheidend zur Imagebildung bestimmter Künstler und Stile beigetragen haben.
1905 beschrieb Sigmund Freud in seinem Essay Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten die psychischen Funktionen des Witzes, die sich auf die Gattung Karikatur übertragen lassen: „Durch die Verdrängungsarbeit der Kultur gehen primäre, jetzt aber von der Zensur in uns verworfene Genußmöglichkeiten verloren. Der Psyche des Menschen wird aber alles Verzichten so schwer, und so finden wir, daß der tendenziöse Witz ein Mittel abgibt (...), das Verlorene wiederzugewinnen.“ (1)
Was in Karikaturen wiedergewonnen wird, ist das komische Potential moderner künstlerischer Produktionsmethoden, das in der zeitgenössischen Kunsttheorie und der wissenschaftlich-historisierenden Betrachtung der Kunstgeschichte zum Verschwinden gebracht wurde. Grenzüberschreitungen und Tabuverletzungen der modernen Kunst, denen in der ästhetischen Theoriebildung oft jede Schärfe genommen wird, drängen in der Polemik und im Witz wieder an die Oberfläche. Erst in der Pointe der Karikatur wird das verdrängte Schockpotential künstlerischer Techniken wieder aktiviert; im entlastenden Lacheffekt liegt ein Wahrheitsmoment, das Aufschluss über die Ästhetik der Moderne verspricht. Es ist dabei das besondere Vermögen der Karikatur, nebulöse Diskurse dingfest zu machen. Was in der geschriebenen Kunstkritik meist in theoretisch reflektierter und entschärfter Form geäußert wird, erfährt in der Karikatur eine unmittelbare Pointierung, die neue Assoziationsfelder und Erkenntnishorizonte eröffnet.
Karikaturen kommentieren unter anderem die Arbeit des Künstlers für die Salonausstellungen in den Metropolen des 19. Jahrhunderts, die aufkommende Mode der Freiluftmalerei, neue Methoden des Farbauftrags in Realismus und Impressionismus, die Techniken der Abstraktion im frühen 20. Jahrhundert und den Siegeszug des Action Painting in den 1950er Jahren. Sie leisten so einen Beitrag zu einer Diskursgeschichte künstlerischer Techniken im 19. und 20. Jahrhundert und ermöglichen ein tiefes Eindringen in die zentralen ästhetischen Diskurse ihrer Zeit.
Während ältere Arbeiten zur Kunstkarikatur dieser meist eine durchweg modernefeindliche Haltung unterstellen, wird die Karikatur hier vor allem als Vermittlungsmedium betrachtet. Anders als die elitäre Kunsttheorie vermag es das populäre Medium, neue Tendenzen einem breiten Publikum zu kommunizieren und ihnen so langfristig zur gesellschaftlichen Akzeptanz zu verhelfen.
Fallbeispiel: Moderne Maler als Maurer und Anstreicher
Die oftmals frappierende Trivialität künstlerischer Arbeit und ihre gefährliche Nähe zu handwerklichen, manufakturellen und industriellen Formen der Herstellung gehört zu den angsterregenden Potentialen moderner Kunst, die zusammen mit der Vorstellung einer Kunst produzierenden Maschine schon früh zum Gegenstand der Karikatur wurden. Das jahrhundertealte Interesse der Kunst an einer Loslösung vom Handwerk spielt in diesem Zusammenhang ebenso eine Rolle wie moderne Diskurse um die Mechanisierung und Automatisierung der Kunst.
Die karikierende Darstellung des Künstlers als Handwerker folgt meist einer Strategie der Banalisierung moderner Kunst. Das Aufzeigen bestimmter Parallelen zwischen künstlerischer und handwerklicher Arbeit trägt dazu bei, der Kunst ihren hehren Status abzusprechen. Andererseits kann der Vergleich von Künstler und Handwerker auch als positives Qualitätsmerkmal eingesetzt werden.
Diese Ambivalenz kennzeichnet auch die Karikaturen auf Alexandre-Gabriel Decamps (1803-1860) und Gustave Courbet (1819-1877), die das Verfahren der ,Messermalerei‘ in die französische Malerei des 19. Jahrhunderts einführten. Beide benutzten Spachtel und Palettmesser nicht nur als Schabinstrumente, sondern auch zum großflächigen, pastosen Farbauftrag - eine Technik, die bei zeitgenössischen Beobachtern Assoziationen an einen mit der Kelle arbeitenden Maurer weckte.