Seit dem 26. Januar 2012 ist im LVR-LandesMuseum in Bonn die Ausstellung "Steppenkrieger. Reiternomaden des 7. –14. Jahrhunderts aus der Mongolei" zu sehen. Gezeigt werden dort einzigartige Fundstücke, die seit 2008 mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung restauriert und konserviert wurden. Das von Prof. Dr. Jan Bemmann, Bonn, in Zusammenareit mit der Akademie der Wissenschaften der Mongolei durchgeführte Forschungsprojekt war unter den ersten im Schwerpunkt "Archäologie in der Mongolei" geförderten Vorhaben.
Archäologie in der Mongolei
Ein Förderschwerpunkt der Gerda Henkel Stiftung
Das Engagement der Gerda Henkel Stiftung in Zentralasien
Seit 2004 unterhält die Gerda Henkel Stiftung ein Sonderprogramm für Wissenschaftler aus der Region Zentralasien. Im Rahmen dieses Programms werden Forschungsprojekte und Tagungen gefördert sowie einzelne Wissenschaftler mit Stipendien unterstützt. Die Förderungen erstrecken sich auf den Bereich der Historischen Geisteswissenschaften und umfassen insbesondere die Fächer Archäologie, Geschichte und Kunstgeschichte. Zentral ist der Aspekt der Kooperation zwischen Wissenschaftlern aus der Region Zentralasien und Deutschland sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Seit Bestehen des Sonderprogramms hat die Stiftung Fördermittel in Höhe von über vier Millionen Euro verteilt auf ca. 180 Projekte zur Verfügung gestellt.
Der Förderschwerpunkt „Mongolei“
Die Mongolei und Deutschland sind traditionell eng miteinander verbunden. Laut Auswärtigem Amt ist Deutschland der wichtigste Handelspartner der Mongolei in der Europäischen Union. Ausgehend von den engen Bindungen der Mongolischen Volksrepublik an die DDR sind bis heute bei ca. 30.000 Mongolen noch Kenntnisse der deutschen Sprache und persönliche Vertrautheit mit Deutschland anzutreffen. Gemessen an der Größe der Bevölkerung hat die deutsche Sprache damit eine in Ostasien einzigartige Bedeutung. (Quelle: Auswärtiges Amt)
Im Bereich der Archäologie bietet die Mongolei innerhalb der Region Zentralasien außergewöhnlich gute Bedingungen für ausländische Forscher und freie Forschungsmöglichkeiten für internationale Teams. Die Unterstützung sowohl durch diplomatische Vertretungen als auch durch wissenschaftliche Einrichtungen vor Ort ist exzellent.
Im Frühjahr 2008 wurde von den Stiftungsgremien daher innerhalb des Sonderprogramms ein Förderschwerpunkt zur Umsetzung wissenschaftlicher Vorhaben in der Mongolei eingerichtet. Der Schwerpunkt wurde ausgestattet mit einer Gesamtsumme von EUR 330.000,00 für Forschungsprojekte im Bereich Archäologie sowie Stipendien im Bereich Geschichte. Die Fördermittel sollten insbesondere für große, langfristig geplante archäologische Projekte vergeben werden und zur Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern beitragen.
Im Herbst 2008 wurde anlässlich einer Reise von Bundespräsident Horst Köhler in Ulan Bator ein Kooperationsabkommen zwischen der Mongolischen Akademie der Wissenschaften, der Nationaluniversität der Mongolei und der Gerda Henkel Stiftung abgeschlossen. Für die mongolische Seite unterzeichneten der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Baatar Chadraa, sowie der Rektor der Nationaluniversität, Prof. Dr. Tserensodnom Gantsog, die Vereinbarung. Die Stiftung war durch den Vorsitzenden des Vorstands, Dr. Michael Hanssler, vertreten, Bundespräsident Köhler und der mongolische Staatspräsident Nambaryn Enkhbayar wohnten der Zeremonie bei.
Photo: Steffen Kugler, Bundespräsidialamt
In Anbetracht der ausgezeichneten wissenschaftlichen Ergebnisse und der guten Zusammenarbeit mit den mongolischen Partnern haben die Stiftungsgremien im Jahr 2011 eine Fortsetzung des Engagements in der Mongolei beschlossen und für deutsch-mongolische Projekte im Bereich Archäologie erneut Mittel in Höhe von 300.000 Euro zur Verfügung gestellt. Ein entsprechendes Abkommen zwischen der Mongolischen Akademie der Wissenschaften und der Stiftung wurde am 13. Oktober 2011 anlässlich des Besuchs der Bundeskanzlerin in der Mongolei durch den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. B. Enkhtuvshin, und den Vorstandsvorsitzenden der Gerda Henkel Stiftung, Dr. Michael Hanssler, unterzeichnet. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der mongolische Premierminister Sukhbaatar Batbold wohnten der Unterzeichnung bei.
Photo: Toshka Batjargal
Geförderte Projekte
Ausgrabungen in Karabalgassun
Im Bereich Archäologie konzentriert sich die Förderung der Stiftung auf die Erforschung der altuighurischen Hauptstadt Karabalgassun (7./8. Jahrhundert) im Rahmen der vom Deutschen Archäologischen Institut und der Mongolischen Akademie der Wissenschaften getragenen „Mongolisch-Deutschen Orchon-Tal Expedition“. Die in der Steppe noch heute weithin sichtbare so genannten Palast- oder Tempelstadt von Karabalgassun („schwarze Stadt“ oder „schwarze Ruine“), eine mächtige Anlage von 360x404 Metern, bildet mit dem großen Stupa und den noch bis zu acht Metern hoch ragenden Wällen ein überaus eindrucksvolles Denkmal. Unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel wurden in den Jahren 2009-2011 drei erste Grabungskampagnen durchgeführt. Darüber hinaus sind Gastaufenthalte mongolischer Wissenschaftler in Deutschland ein zentraler Bestandteil des Projekts.
Photo: KAAK des Deutschen Archäologischen Instituts
3D-Modellierung des Orchontales
Ergänzend für die Arbeiten im zum UNESCO Weltkulturerbe gehörenden mittleren Orchon-Tal wurde ein Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Bemmann, Bonn, und Dr. Martin Oczipka, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Berlin, durchgeführt: Ein großer Abschnitt des Tals wurde aus der Luft fotografiert mit dem Ziel, ein hochauflösendes Orthobildmosaik zu erhalten, das sowohl die beiden Hauptstädte Karakorum und Karabalgassun abbildet als auch ein Oberflächenmodell des gesamten Orchon-Tals zur Verfügung stellt.
Restaurierung von Artefakten aus türkenzeitlichen Felsgräbern in der Mongolei, Hovd aimag
Ebenfalls zu den archäologischen Projekten gehört ein von Prof. Dr. Jan Bemmann, Bonn, gemeinsam mit der Mongolischen Akademie der Wissenschaften durchgeführtes Vorhaben, bei dem es um die Restaurierung und Konservierung der Inventare dreier, durch ihre hervorragende Holzerhaltung herausragender frühmittelalterlicher Felsgräber im Jargalant Khairkhan Bergmassiv (Hovd aimag) geht. Die Funde (u. a. das älteste erhaltene Musikinstrument der Mongolei) wurden in Bonn restauriert und sind zurzeit im Rahmen der Ausstellung „Steppenkrieger – Reiternomaden aus der Mongolei“ im Rheinischen LandesMuseum Bonn zu sehen.
Zu diesem Projekt äußert sich Prof. Dr. Jan Bemmann ausführlich im L.I.S.A.-Interview.
Photo: Theo Gerhards/LVR-LandesMuseum Bonn
Übersetzung des Katalogs „Dschingis Khan und seine Erben“ ins Mongolische
Mit Unterstützung der Stiftung wurde der Katalog der 2005 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn gezeigten Ausstellung „Dschingis Khan und seine Erben“ ins Mongolische übersetzt und wissenschaftlichen Institutionen in der Mongolei zur Verfügung gestellt. 2010 übergab der deutsche Botschafter in Ulan Bator, Pius Fischer, den inzwischen fertiggestellten Katalog an Staatspräsident Tsakhiagiin Elbegdorj.
Photo: Michael Roßbach, Ulan Bator
Archäologie der Xiongnu
Im Sommer 2011 wurde während der Eröffnungszeremonie der Jubiläumskonferenz anlässlich der Feierlichkeiten zum 2200-jährigen Bestehen eines Staates auf mongolischem Boden der Tagungsband „Xiongnu Archaeology – Multidisciplinary Perspectives of the First Steppe Empire in Inner Asia“ (herausgeben von Ursula Brosseder und Bryan K. Miller) durch Wissenschaftler der Universität Bonn präsentiert und den mongolischen Kollegen überreicht. Der Band gibt einen umfassenden und aktuellen Überblick über die Archäologie des ab 209 v. Chr. expansiv agierenden reiternomadischen Steppenreiches der Xiongnu. Zu ihren Forschungen äußert sich Dr. Ursula Brosseder auch im L.I.S.A.-Beitrag.
Ursula Brosseder, Bryan K. Miller (Hg.), Xiongnu Archaeology. Multidisciplinary Perspectives of the First Steppe Empire in Inner Asia, Bonn 2011 (= Bonn Contributions to Asian Archaeology, Bd. 5)
Mit der Archäologie der frühen asiatischen Hunnen hat sich auch
ein Team russischer Archäologen unter der Leitung von Prof. Dr. Natalia Polosmak, Institut für Archäologie und Ethnographie, Sibirischer Zweig der Russischen Akademie der Wissenschaften, Novosibirsk, beschäftigt. Auf dem Friedhof von Noin-Ula in der nördlichen Mongolei, bedeutendes Zeugnis der Sepulkralkultur der Xiongnu, haben die Wissenschaftler mit modernsten Methoden eines der letzten großen Fürstengräber erforscht. Die bis zu 18 Meter tiefen Grabschächte bieten reichhaltige Funde, vor allem seltenes organisches Material. Im Rahmen des Filmprojekts "L.I.S.A.video" wurden die Arbeiten dokumentiert und sind im Portal zu verfolgen.
Photo: Prof. Dr. Natalia Polosmak
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Mit freundlichen Grüssen
LIBRUM Publishers & Editors Ltd.
Dominique-Charles Oppler
Verleger