Heute das Eiserne Kreuz erhalten. Wir liegen in Cieblowice in der Kaiserlichen Forst drei Kilometer vom Kaiserlichen Jagdschloss Spala entfernt. Meinen Leuten erlaubt, in der Forst drei Stück Rotwild zu schiessen. Sie rückten unter der Führung des Wachtmeisters aus; zehn Schützen, die Übrigen, die sich freiwillig meldeten, als Treiber. Ich fuhr nach dem Schloss, wo Schweinitz sich einquartiert hat. Wir mussten, um hinzugelangen, auf einer Notbrücke über die Pilica, da unsere Landwehr die Holzbrücke, die zum Schloss führt, abgebrannt hat. Das Schloss ist ein kleiner einstöckiger sehr einfacher Bau, der aussieht wie die Dépendance eines Schweizer Gasthofs. Innen ist es einfach aber anständig modern englisch eingerichtet mit vielen Badezimmern und sonstigem Comfort. Die Prinzessinnen schlafen je zu zweien in einem Zimmer, der Tsarewitsch hat dagegen eine Zimmerflucht für sich. Tsar u Tsarin haben ein gemeinsames sehr einfaches Schlafzimmer mit einer grossen überdachten Veranda, die auf den Park und die Pilica einen hübschen Ausblick hat. Der einzige Luxusgegenstand ist der sehr schöne, enorm grosse Kronleuchter im Esszimmer aus Silber und Geweihen. Das Ganze ist an Reichtum und Geschmack kaum mit dem Landhaus eines mittleren englischen Landedelmanns vergleichbar. Neben dem Schloss liegt ein zweiter ähnlicher Bau für Adjutantenwohnungen und Bureaus und weiterhin sind noch Kasernen mit Wellblechdächern, wahrscheinlich für die Leibtscherkessen. Die Forst ringsherum ist aber schön und ausgedehnt. Man fährt vom Eingang bis zum Schloss sieben Kilometer. Viel Wachholder zwischen den Kiefern, was malerisch-märchenhaft namentlich in der Dämmerung wirkt, und mitten durch fliesst die helle, schnelle Pilica. Die Hoflakaien, die geblieben sind, führen uns mit resignierter Höflichkeit herum.
22. Oct. 1914. Donnerstag. Spala (Cieblowice)
Tagebucheintrag Harry Graf Kessler
Bundesarchiv, Bild 146-2007-0169 / CC-BY-SA (Wikimedia Commons)