Das hier gezeigte Video zeigt mich bei der Dokumentation von Rüstungsteilen im Stadmuseum Köln und in der Rüstkammer der Churburg. Ich werde versuchen, weitere projektbegleitende Videos anzufertigen.
Kamera und Schnitt: Max Kluger, Dortmund
Die „Ritterrüstung“ ist Gegenstand meines Dissertationsvorhabens (seit Oktober 2008). Das Hauptaugenmerk der Forschungen liegt dabei auf Rekonstruktionsversuchen der historischen Technologie des Plattnerhandwerks in seiner ersten, der spätmittelalterlichen Epoche. Der Betrachtungszeitraum ist durch den Beginn der Verwendung großflächiger Platten zur Panzerung des Rumpfes um 1350 bis hin zum Einsetzen eines Stilwandels und der konsekutiven Massenfertigung um 1500 eingegrenzt. Die chronologische und räumliche Genese von Typen, Dekorationstechniken, Treibtechniken und nicht zuletzt die beginnende Massenproduktion im späten 15. Jahrhundert sind nur einige der zentralen Fragen, die durch die Ergebnisse der Untersuchungen zu beantworten gesucht werden.
Mein Dissertationsvorhaben schließt aus Gründen der zeitlichen Beschränkung Untersuchungen der separat zu betrachtenden speziellen Turnierrüstungen sowie zur Schutzwirkung der Rüstungen aus.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema beschränkt sich derzeit auf sehr wenige Institutionen, vornehmlich auf die großen Museen in Wien und Leeds. Trotz der nahezu zweihundertjährigen Forschungsgeschichte in diesem Bereich sind zahlreiche Lücken im Wissen um die Plattnerkunst geblieben und überkommene Forschungsmeinungen wurden über lange Zeit unhinterfragt in neuere Publikationen übernommen. Aufgrund der vermeintlich geringen schriftlichen Überlieferungen steckt die wissenschaftliche Auseinandersetzung in einer Sackgasse. Die Auswertung bestimmter Objektdaten kann diesen Mangel mindern, werden Letztere erst in großem Umfang für Vergleiche zugänglich gemacht.
Mein Dissertationsvorhaben stellt nicht nur neue Fragen an das Thema, sondern greift vielmehr alte und nur an einzelnen Objekten beantwortete Fragen auf, geht oft ein paar Schritte zurück und betrachtet das Thema nochmals unvoreingenommen. Ausgangspunkt ist die mir in eigenen Forschungen angediehene Unzufriedenheit mit dem aktuellen Forschungsstand. Allzu oft wurde bisher versucht, Merkmale von Objektgruppen anhand einer vernachlässigbar kleinen Menge von Exponaten – hergestellt in einer technologisch nicht normierten Zeit – zu erklären und als Gesetz zu dogmatisieren.
Die für wissenschaftliche Untersuchungen wichtigste und bisher nicht befriedigend beantwortete Frage bezieht sich auf die Unterscheidung von vor allem im 19. Jahrhundert in großer Zahl nachgebildeten Rüstungsteilen von ihren spätmittelalterlichen Vorbildern. Heute sind vermutlich viele Sammlungen von unerkannten Nachbildungen unterwandert.
Die Untersuchung der historischen Technologien beider Epochen kann Aufschluss über mögliche Unterschiede bieten. Hierfür führe ich in Zusammenarbeit mit einem hauptberuflichen Plattner auch praktische Rekonstruktionsversuche durch. Die kunstgeschichtlichen Bestimmungsversuche zur Frage „Original oder Nachbildung“ hinterlassen allzu oft eine große Ungewissheit, wenn auch Schlüsse gerne als gesichert dargestellt werden. Auch die naturwissenschaftlichen Methoden bieten bisher weder ein zerstörendes noch ein zerstörungsfreies Verfahren, welches belastbare Ergebnisse zur Beantwortung dieser Frage liefert. Die Unversehrtheit der Objekte ist oberstes Gebot. Einen Schritt zurückzugehen bedeutet in diesem Fall, auch vermeintliche Nachbildungen oder gar Fälschungen in die Untersuchungen mit einzubeziehen und nochmals unvoreingenommen zu untersuchen. Hierbei gilt ganz lapidar „in dubio
pro reo“: solange nicht mehrere Merkmale eines Objektes jeweils für oder gegen eine Einordnung als Nachbildung sprechen, ist das Objekt als Original zu betrachten, der ungeliebte – und schließlich doch fair zu führende - Indizienprozess. Dies soll solange gelten, bis letztlich eindeutige Beweise gefunden werden können.
Das Dissertationsvorhaben basiert auf einer äußerst umfangreichen Untersuchung der in aller Welt vorhandenen Exemplare, um eine breite Grundlage für Objektvergleiche für die interdisziplinären Fragestellungen an die Objekte zu schaffen. In etwa 65 ausgewählten Museen in 11 Ländern wurden und werden hunderte originale Rüstungsteile und ganz bewusst auch mutmaßliche Nachbildungen fotografisch und im Aufmaß aufgenommen – eine bisher einmalige Arbeit in diesem Umfang. Die Förderung der Gerda-Henkel-Stiftung (seit Aug. 2009), viel Geduld mit Zugangs- und Terminabsprachen, moderne Technologien und ein eigens konstruierter mobiler Arbeitsplatz machen dies möglich. Die Arbeiten beinhalten die Anfertigung hochauflösender Fotos von allen Objektansichten, welche eine spätere, breit vergleichende Analyse ermöglichen und die technologischen Erklärungsversuche virtuell stützen. Erstmals werden multipunktuelle Messdaten zur Blechstärke sowie konstruktionstechnische Details einer Vielzahl von Rüstungsteilen aufgenommen. Die eingeschlagenen Meister-, Beschau- oder Besitzermarken spielen bei den Untersuchungen eine zentrale Rolle. Zahlreiche, oftmals der Forschung bisher verborgene – sogar namentlich ihren Herstellern zuzuordnende – Objekte konnten im Rahmen der Untersuchungen bereits in verschiedenen Museen (und vor allem deren Depots) ausfindig gemacht werden.
Um die visuellen Beobachtungen zu überprüfen, werden nach Abschluss der Objektaufnahmen verschiedene vergleichende und zerstörungsfreie röntgenstrahlenbasierte Untersuchungen an Proben von Eisenbasiswerkstoffen unterschiedlicher Epochen vorgenommen. Dies soll dem Ziel dienen, eine Art „Fingerabdruck“ der Materialien der Nachbildungen, sowie der mutmaßlichen Originale sichtbar zu machen. Bildliche und schriftliche Quellen – auch zur Blechherstellung im 19. Jahrhundert, zur Geschichte der Nachbildungen und des Sammelwesens – können die Sachlage erweitern und bereichern. Zum Abschluss der Arbeit werden neben Vorschlägen zur Beantwortung der zentralen Fragen – mit Hilfe der datenbankartig aufgearbeiteten Fotografien, Maße, Marken und Bestandslisten – vor allem die offenen Fragen zur Diskussion gestellt werden. Dies kann dazu dienen weitere Forschungen, verstärkt seitens der Untersuchung von Rüstungsdarstellungen in der Kunst und in der Literatur auf der Grundlage der angestrebten Dissertationsergebnisse aufbauen zu können.
Die Arbeit in den Museen – die Phase der Datensammlung – wird im November abgeschlossen sein. Darauf folgt die digitale Aufarbeitung und Ordnung der Daten sowie die schriftliche Auswertung.
Interdisciplinary research on the late medieval armourers art in central Europe between 1350 and 1500
The main idea of my research is an attempt to reconstruct the technology of the historical craft of the medieval armourers. Despite the nearly two hundred year lasting history of research on this topic there had been left several gaps in our knowledge and overcome opinions have been transferred unquestioned into recent publications.
For the scientific studies the most important question refers to the problem of distinguishing between 19th c. reproductions, produced in huge quantities, and their genuine idols. The knowledge of the historical technologies of both periods can deliver conclusions on how to differ between them. Even methods in natural sciences can neither provide any satisfying destructive, nor any non destructive testing for answering this question. Not to harm the objects is the first thing to be obtained. Therefore the aim of this PhD studies is based on a large scale examination of objects all over the world, to give a basis for comparisons needed to work on the interdisciplinary questions. Thus there is ongoing photographic and measuring examination carried out on hundreds of presumed reproductions and originals in about 65 museums in 11 countries – until now a unique endeavor in this scale. For the first time multi-spot measurements of plate thicknesses as well as constructional details are being recorded. The stamped marks of the master-armourer, the guilds approval or the owners are playing an important role in these examinations. Plenty, also up to now for research undiscovered objects, sometimes even with their masters identified, had already been found in different museums in the course of these studies. Technical details do often allow to understand the mechanisms of the objects. To double-check the visual observations after finishing the records on the objects, different x-ray based non destructive testing methods will be applied to several iron basis samples of different production periods. This should serve the aim of finding a kind of differing “fingerprint” of the material of the reproductions and the originals. Depicting and written sources should help to enrich the foundations of the topic. Aside suggestions for answering the central questions – with the help of an object-database – the open questions will be proposed for discussion, to build a basis for further research, especially on behalf of armour being shown in artworks and mentioned in literature.