Der Künstler Richard Seewald hatte in den zwanziger Jahren eine Zeitlang in Positano gelebt und in seiner Autobiographie das ‚Positano-Syndrom‘ auf den Punkt gebracht: „Es haben nämlich Landschaften ihre Stunde, in denen sie die ihnen innewohnende Idee offenbaren”. Jede Zeit hat ihren Ort. Er muss passen, sich zum Anpassen eignen, für eine veränderte Gesellschaft ebenso wie für Innovationen. Vor hundert Jahren bot das Nachkriegs-Positano mehr als eine Suppenküche und einen Fluchtraum in reale oder geträumte Paradiese. Es bot ein perfektes Ambiente für solche porösen Zeiten. Ganz anders in Zeiten der Bonner Republik: Positano wird einer der Sehnsuchtsorte im Projekt „Bella Italia”. Es markiert nun eine ganz andere Landkarte: die des Wirtschaftswunderdeutschlands. Es gibt Alternativen, die sich ganz anders präparieren als Bella Italia: St. Tropez zog Viele an, darunter die Existentialisten aus dem Pariser Bateau Ivre an. Zwei Schauplätze, zwei Diskurse, zwei Antworten: hier entstehen Orte als Außenposten für Sinndiskurse, Lebensstile und Deutungen der Gegenwart. Was erfahren wir im Blick auf solche Orte für Geschichte und Selbstverständnis der Bonner Republik?
Der Vortrag von Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann fand im Rahmen der Ringvorlesung "Sehnsuchtsorte und Heimat in der Bonner Republik" an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf statt. Die Ringvorlesung wird vom Forschungsverbund zur "Bonner Republik" (Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), dem Institut "Moderne im Rheinland" an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Stadt Düsseldorf veranstaltet.