Der zweite Block, welcher der Architekturforschung galt, wurde durch JOHANNES LIPPS (Mainz) eröffnet, der über „Geschichte und aktuelle Trends römischer Architekturforschung“ referierte. Mit seinem sehr persönlichen und analytischen Blick gab Lipps einen Abriss über die Entwicklung der Architekturforschung seit der Renaissance. Ein Paradigmenwechsel macht er um 1970 fest, als die klassischen kunsthistorischen und technikgeschichtlichen Zugänge vermehrt durch typologische sowie erste semiotische Studien abgelöst wurden und gesellschaftspolitische Aspekte der römischen Architektur wie auch deren Entwicklung in den Provinzen stärker in den Fokus rückten. Eine neue Pluralität der Forschungsinteressen stellt Lipps seit den 1990er-Jahren fest und steht dieser Entwicklung bisweilen skeptisch gegenüber, indem er u. a. das sinnstiftende Momentum einer kohärenten Forschungstradition hervorhebt. Janusköpfig erscheint zudem der größer werdende Impetus computergestützter Aufnahme- und Rekonstruktionstechniken, welche wider ihre Intention zur unreflektierten Anlage von Datensammlungen verleiten und somit zum Zeitfresser für die eigentliche geisteswissenschaftliche Aufarbeitung werden können. Aktuelle Bedrohungslagen wie die Pandemie, die Klima- und Demokratiekrise fanden in der Architekturforschung bisher keinen gleichwertigen Widerhall, dürften aber nach seiner Einschätzung als chancenreiche Stimuli für neue Forschungsfragen gelten. Besonderen Diskussionsbedarf sieht Lipps darüber hinaus für die stark unterinterpretierte spätantike Architekturforschung sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der nachantiken Nutzung und Reflexion antiker Architektur. Ein Umdenken wird bei der Frage zum starren Kanon von Architektur, die traditionellerweise als „studierenswert“ gilt, gefordert.
TRANSIT Klassische Archäologie – 50 Jahre Klassische Archäologie am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt | Festsymposium des Fachgebiets Klassische Archäologie vom 16.-17. Dezember 2021
Das Festsymposium führte Forschende aus dem Gebiet der Klassischen Archäologie, der Historischen Bauforschung, den Digital Humanities und der Landschaftsarchäologie online zusammen, um gemeinsam die Zukunftsperspektiven der Klassischen Archäologie als eines Faches, das sich gegenwärtig mehr denn je in einem transitorischen Zustand befindet zu besprechen.