Geschrieben am Reformationstag, versendet an Allerheiligen - aus christlich-abendländischer Perspektive ein heute beinahe ökumenischer L.I.S.A.Newsletter. Das soll aber nur der Aufhänger anlässlich eines 1. Novembers sein - wir bleiben bei den Historischen Geisteswissenschaften. Im Übrigen unterliegt die Einrichtung des Feiertages Allerheiligen aus Sicht der Kirche vor allem praktischen Erwägungen. Im Laufe der ersten nachchristlichen Jahrhunderte hatte die Anzahl an Heiligen derart zugenommen, dass es kaum noch möglich war, jedem Heiligen einen eigenen Gedenktag zuzuweisen. Ergo: An Allerheiligen gedenke man aller Heiligen - ob in der katholischen, der evangelischen oder der orthodoxen Kirche. Letztere feiern diesen Tag übrigens am ersten Sonntag nach Pfingsten.
An einem 1. November ereignete sich auch eines der bekanntesten Erdbeben: 1755 in der portugiesische Hauptstadt Lissabon, mit anschließender Flutwelle. Der weit überwiegende Teil der Stadt wurde zerstört - bis zu 60.000 Menschen kamen ums Leben. Für den französischen Philosophen Voltaire Anlass, seinen berühmten Candide zu schreiben, der vier Jahre später erschien. Voltaire, der Kirche - nicht dem Religiösen an sich - kritisch gegenüberstehend, machte sich in seiner Satire über diejenigen Geister seiner Zeit lustig, die wie insbesondere Gottfried Wilhelm Leibniz glaubten, in der besten aller Welten zu leben und optimistisch in die Zukunft blickten. Das große Erdbeben von Lissabon war für Voltaire vielmehr ein Zeichen mehr, dass zu einem prinzipiellen und in seinen Augen naiven Optimismus nur wenig Anlass bestand.
Um Zeichen, Zukunft und Optimismus geht es auch im Vortrag des Historikers Prof. Dr. Michael Grünbart. Am Historischen Kolleg München sprach er über die Auslegung von Vorzeichen und deren politische Bedeutung am Beispiel des Reiches von Byzanz. Die Historikerin Prof. Dr. Gabriele B. Clemens von der Universität des Saarlandes referierte in der Vorlesungsreihe Religion - Revolution - Reaktion. 1848 in Perspektive über den Einfluss des Katholizismus auf die italienische Nationalbewegung. Und mit dem Historiker Prof. Dr. Till van Rahden von der Université de Montréal diskutierten wir in einer neuen Ausgabe von Zu Gast bei L.I.S.A. über das Partikulare der Universalismen am Beispiel der deutschen Juden im 19. und 20. Jahrhundert. Hingewiesen sei an dieser Stelle auch noch auf unsere neue Folge von Kunstgeschichten - der Kunsthistoriker und Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Prof. Dr. Bernhard Maaz, hat uns in der Alten Pinakothek in München eine berühmte Skulptur Rodins vorgestellt: Die Kauernde - ein wenig Optimismus ausstrahlendes Kunstwerk.
Damit es aber nicht zu düster wird, kurz vor Schluss noch etwas nur auf den ersten Blick wissenschaftlich Abseitiges: Der Vortrag des US-amerikanischen Historikers Prof. Dr. Bryant Simon von der Temple University in Philadelphia über die Geschichte der öffentlichen Toiletten in den USA. Seine Beobachtung: In den Vereinigten Staaten ist der Bestand an öffentlichen WCs stark rückläufig. Warum das so ist und worauf das möglicherweise hindeutet, dazu Bryant Simon in seinem Kölner Vortrag.
Zum Abschluss noch ein Hinweis in eigener Sache: L.I.S.A. hat einen neu gestalteten Dossier-Bereich. Klicken Sie sich doch einmal hinein...
Wir wünschen in aller Stille einen guten Start in den November, herzliche Grüße
Ihre L.I.S.A.Redaktion