Medusa, Leviathan, Johannes der Täufer, Klaus Störtebeker, Ludwig XVI. oder Samuel Paty: Diese mythologischen oder realen historischen Figuren haben gemeinsam, dass sie enthauptet wurden, also ihr Kopf mit einem Beil, einem Schwert oder einer Guillotine vom Körper abgetrennt wurde. Die Enthauptung ist eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Hinrichtungsmethoden und auch in der Kunstgeschichte begegnet uns die Enthauptung als ein immer wieder auftretender Topos. Laut der Kunsthistorikerin Dr. Katrin Weleda stellt die Enthauptung ein Paradigma dar, das auch in Bilddiskursen des 21. Jahrhunderts fortwirkt. Wir haben Sie gefragt, warum Menschen überhaupt andere Menschen enthaupten und welche Wirkung Bilder von Hinrichtungen in den Sozialen Medien erzeugen können.
"Eine neue Perspektive auf das Thema eröffnen"
L.I.S.A.: Frau Dr. Weleda, Sie haben sich als Kunsthistorikerin mit der Ikonografie von Enthauptungen beschäftigt. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen und welche Vorüberlegungen gingen dem Projekt voraus?
Dr. Weleda: Ich habe an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) Braunschweig Kunstwissenschaft und an der Technischen Universität Braunschweig Philosophie und Literaturwissenschaft studiert. Als Studentin hat mich Oscar Wilde’s Salomé von 1893, also seine Bearbeitung des biblischen Sujets und die Illustrationen von Aubrey Beardsley, sehr beeindruckt. In diesem Einakter von Wilde wird neben der stereotypen Femme fatale-Figur auch die Umkehr des ,männlichen Blickes‘ im Zusammenhang mit der Enthauptung von Johannes dem Täufer thematisiert. Ich wusste, dass sich meine zukünftige Forschung auch damit beschäftigen wird, misogyne Interpretationsmuster offenzulegen. In meiner Dissertation konnte ich das mit einem Kapitel über das Medusa-Mythologem als semiotische Konversion einlösen. Ansonsten war es mir wichtig, eine neue Perspektive auf das Thema zu eröffnen und die christliche Mythologie dabei weitestgehend auszusparen und mich auf politische Ikonographie sowie Wissenschafts- und Medizingeschichte zu fokussieren. Außerdem hatte ich das große Glück, dass ich an der HBK bei der mittlerweile emeritierten Professorin Katharina Sykora studieren und auch promovieren konnte. In ihrer Publikation Die Tode der Fotografie I geht Sykora auf Enthauptungen in der Fotografie ein, was für meine Forschung eine wichtige Grundlage ist, mich aber für die Wahl meiner Beispiele in eine Richtung geführt hat. Meine wichtigste Station für die Recherche war das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris, wo ich als Jahresstipendiatin 2012/2013 allerbeste Bedingungen hatte.