Die Provokation dieser Frage, die zugleich titelgebend für die Veranstaltung der Arbeitskreise Kunst und Kultur war, ist zunächst unüberhörbar, unausweichlich. Und doch geht sie auf den Grund diese Frage, die mit dem eigenen Tun gleichsam den Kern des eigenen Seins hinterfragt, die nicht etwa nach dem "Was" sucht und damit bereits das nächste Prestigeprojekt fokussiert - um der Sache Willen-, sondern vielmehr in den Blick nimmt - um der Menschen Willen. Es ist eine Frage, die betrifft, die sucht, nach jenen, die Empfänger oder Partner dieses Engagements und Tuns sind oder sein werden, die also noch im Nachklang ihrer Worte Zukunft stiftet. "Wer", das ist mehr als eine durch die Massenmedien gedroschene Phrase, "wer" ist persönlich, "wer" ist zugleich das gestärkte Mitglied eines Gemeinwesens von morgen.
Der Deutsche StiftungsTag 2013
Ein kommentierender Bericht von Tilman Neuschild, Tina Öcal und Anselm Rau
Wer braucht schon Stiftungen?
Bundesverband Deutscher Stiftungen, Fotograf ist Marc Darchinger
"Das Gemeinwesen von morgen stärken! Stiftungen in einer sich verändernden Welt" lautete folglich das Leitmotiv des Deutschen StiftungsTages 2013, der vom 15. bis 17. Mai erstmals auch Stiftungsstipendiaten nach Düsseldorf einlud, in über 90 Einzelveranstaltungen mitzudiskutieren, sich zu informieren, aber auch miteinander zu feiern. Denn es sind Erfolge, die nicht alleine in Zahlen zu bemessen sind, die Stiftungen auch und gerade jenseits der Politik bewirken. Kulturelle Vielfalt wäre ohne Freiheit, Unabhängigkeit und Mut kaum denkbar. Das Überbrücken sozialer Disparitäten, das Finden und Pflegen gemeinsamer Interessen und Ziele bliebe ohne das Stiftungswesen wohl fortwährendes Desiderat. Und so stellte man sich auch der Frage, wie Stiftungen in den verschiedenen Teilöffentlichkeiten, also von allen relevanten Gruppen wahrgenommen werden, mit denen sie kommunizieren. In Form einer 360° Stakeholder Analyse nahm die Evaluation dieser zentralen Frage eine erst kürzlich empirisch abgeschlossene Studie der Volkswagenstiftung vor, die in einem ihrer Ergebnisse auf die fehlende Aufmerksamkeit für Stiftungen und ihre jeweiligen Programme gerade in der Forschungsförderung verweist.
Gewissermaßen von der anderen Seite, aus Stipendiatenperspektive betrachtet, beeindruckte dementsprechend auch die Anzahl und Vielfalt an Stiftungen samt ihrer Tätigkeitsfelder. Einen fundierten Einblick in das Stiftungswesen bot zunächst die einführende Begrüßung der Stipendiaten durch Dr. Roland Kaehlbrandt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt. Während des gesamten Kongresses standen den Stipendiaten zudem Paten zur Seite, die jederzeit Fragen sowohl informativer als auch organisatorischer Natur beantworteten. Bereits die Vielzahl der unterschiedlichen Arbeitskreise, Lunch Meetings, Keynotes, Panels und offenen Kanäle verdeutlichte nicht nur die Größe und Bedeutung der deutschen Stiftungslandschaft, sondern bot auch Einblick in die unterschiedlichsten Tätigkeitsfelder der jeweiligen Stiftungen. Konkrete Stiftungsarbeit, etwa in den Bereichen internationales Engagement oder Integration und Migration, wurde dabei ebenso thematisiert wie neue Ideen und Ansätze skizziert und diskutiert. Nachklingen werden auch eindringliche, mal appellierende, mal nachdenkliche Worte, so beispielsweise von Udo van Meeteren, Wilhelm Krull, Margot Käßmann oder Ernst Ulrich von Weizsäcker. Anregend waren zudem die vielen Überlegungen, tradierte Ansichten unserer Gesellschaft zu hinterfragen und kreativ nach Wegen zur Verbesserung des Gemeinwesens zu suchen. Fragen, die dabei erörtert wurden, thematisierten beispielsweise, ob Umweltschutz und Entwicklungszusammenarbeit nicht vielmehr als Einheit gedacht und behandelt werden müssen und wie ein neuer Wachstumsbegriff zur Lösung von Wirtschafts- und Umweltproblemen beitragen kann; ob in Zeiten enthemmten Konsumierens und rücksichtslosen Produzierens nicht gerade die gesellschaftlichen Eliten und Förderer des gesellschaftlichen Wandels aufgefordert sind, ihrer Arbeit und ihrem Handeln beständige Werte zugrunde zu legen, gerade weil sie für die Ewigkeit geschaffen sind; oder wie wir von der Vision der europäischen Einheit zu ihrer erfolgreichen und nachhaltigen Umsetzung gelangen. Insbesondere die Themen Integration und Inklusion sowie deren Bedeutung und praktische Umsetzung durchzogen dabei einen Großteil der Vorträge und Diskussionen und fanden Resonanz in kritischen und differenzierten Gesprächen mit Konferenzteilnehmern auch jenseits der Veranstaltungen. Der noch immer große Klärungsbedarf innerhalb der Gesellschaft über Inhalt und Grenzen von gewünschter und erfolgreicher Integration sowie die Bedeutung der Stiftungen als unabhängige und innovative Förderpartner verdeutlichten gerade jene Gespräche einmal mehr.
Auch grundlegende Überlegungen zum Gedanken des Stiftungswesens regten zu einem weiterführenden Austausch der Stiftungen und ihrer Stipendiaten an. So verwies Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, in seiner Eröffnungsrede auf Friedrich Hölderlins Verständnis seiner Dichtung als Stiftung. In der Tat kann Stiften auch und im Besonderen als ideelle Förderung und Inspiration verstanden werden, was schließlich den Deutschen StiftungsTag 2013 immer wieder thematisch durchzog. Gefordert wurden im Zuge dessen neue Partnerschaften von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, eine stärkere Beteiligung der Bürger, deren vermehrte Partizipation gesellschaftliche Identifikation ermöglichen. "Wir müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen" zitierte schließlich Dirk Elbers, Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, Mahatma Ghandi und brachte damit eben jene grundlegenden Gedanken auf den Punkt.
Laut soll es also werden um die Stiftungen in Deutschland, kommunikativ sollen sie werden und mehr auf die Möglichkeiten und Chancen verweisen, die sie gerade auch im Bereich der freien Forschung zu bieten haben. Zu wünschen wäre im Zuge dessen auch ein verstärktes Angleichen dieser Fördermöglichkeiten an die entsprechende Forschungsrealität. So schaffen Anschubfinanzierungen zwar überhaupt erst die Möglichkeit, Forschungsvorhaben zu realisieren, diese geraten jedoch in eine regelrechte Antragsspirale, wenn der Anschub nach einem Jahr endet, das Projekt aber gerade erst angelaufen ist und Wissenschaftler in Folge dessen mehr Antrags- als Forschungsprosa verfassen.
Kommunikation und Transparenz sind somit die zentralen Begriffe künftiger Stiftungsarbeit. Damit rückt eine stärkere Präsenz der Stiftungen für Geförderte und für solche, die eine Förderung anstreben, in den Fokus. Bezogen auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist eine intensivere Kommunikation einzelner, sich in diesem Bereich engagierender Stiftungen an Universitäten, Fachbereichen und Instituten eine große Hilfestellung nicht nur für zukünftige Stipendiaten. Für letztere und gerade auch an den Universitäten herrscht an vielen Stellen Unklarheit darüber, welche Möglichkeiten der Förderung es bereits in frühen Stadien der wissenschaftlichen Laufbahn gibt.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Einladung von Stiftungsstipendiaten zum Deutschen StiftungsTag 2013, um eben jene Kommunikation anzuregen. Ein derart instruktiver Austausch könnte zukünftig sogar in Form von eigenen Veranstaltungen für Stipendiaten aber auch von Stipendiaten für Stiftungen intensiviert werden. In Form verstärkt institutionalisierter Veranstaltungen könnten sich Stiftungen und Stipendiaten so zielgerichteter über ihre jeweiligen Verfahrensweisen, Erfahrungen und Erwartungen besprechen. Eine Fortsetzung dieses Austausches ist somit in jedem Falle wünschens- und erstrebenswert ebenso wie die aktive Teilnahme weiterer Stipendiaten, da ein gemeinsamer Austausch für beide Seiten nur gewinnbringend sein kann.
Begibt man sich schließlich auf die Suche nach dem Wort "stiften", so erhält man die unterschiedlichsten Definitionen: Es handle sich um ein schwaches Verb, so der Duden, man könne damit Brände entfachen, Verwirrung anrichten, sich gar heimlich still und leise der eigenen Verantwortung entziehen, heißt es da weiter. Und dann ist da noch der Stiftungsgedanke, der Hoffnung spendet, Glück verheißt und Perspektiven ja Zufriedenheit schenkt, der hinsieht, in Aktion tritt und so im besten Sinne stark ist. Richtig verstanden ist somit ein Brand, vielleicht ein Lauffeuer gar nur wünschenswert. Denn jenseits niedriger Zinsniveaus und Finanz- oder Wirtschaftskrisen gibt es eine Kultur in Deutschland, die dynamisiert, eine Stiftungslandschaft, die ins Leben ruft. Wenn also Martin Heidegger die Dichtung als "worthafte Stiftung des Seins" bezeichnet, ist es genau diese Lesart des Stiftungsbegriffes, die ausdrückt, was die Vielzahl der Stiftungen, die sich in Düsseldorf trafen, tagtäglich schaffen: (Seins-)Lichtungen im wahrsten Heidegger'schen Sinne des Wortes.
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Wir danken Dr. Roland Kaehlbrandt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, für diesen instruktiven Hinweis.