Vorstellung des Forschungsprojektes »Literarische Schreibprozesse am Institut für Literatur Johannes R. Becher (1955–1993)«, das am Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL) angesiedelt ist.
Mit Prof. Dr. Hans-Ulrich Treichel, Dr. Katja Stopka, Dr. Isabelle Lehn, Sascha Macht.
Von 1955 bis 1993 nahm das in der DDR gegründete »Institut für Literatur Johannes R. Becher« in Leipzig eine singuläre Stellung unter den deutschen Bildungseinrichtungen ein: Die »kleinste Hochschule der Welt« war damals die einzige akademische Ausbildungsstätte für Schriftsteller im gesamten deutschsprachigen Raum. Rund 1000 Direkt-, Fern- und Weiterbildungsstudenten wurden hier ausgebildet. Im Mittelpunkt standen die sogenannten »schöpferischen Seminare« für Lyrik, Prosa und Dramatik, die von Schriftstellern wie Georg Maurer, Werner Bräunig oder Peter Gosse geleitet wurden.
20 Jahre nach der Schließung des im Zuge der Wiedervereinigung »abgewickelten« und damit historisch gewordenen Becher-Instituts begann erstmals die Aufarbeitung der fast 40-jährigen Institutsgeschichte. Seit 2013 nimmt das am DLL beheimatete Forschungsprojekt die ästhetischen, schreibdidaktischen und kulturpolitischen Dimensionen der Ausbildung in den Blick und untersucht, ob und wie die Schreibprozesse und literarischen Werdegänge zahlreicher DDR-Autoren beeinflusst wurden.
Im Akademie-Kolloquium stellen die Projektmitarbeiter Forschungsfragen und -ergebnisse anhand von Beispielen aus dem umfangreichen Quellenbestand vor. Dieser umfasst neben dem Institutsnachlass im Sächsischen Staatsarchiv (Leipzig) Zeitzeugnisse und Memoiren von Autoren wie Erich Loest, Ralph Giordano, Heinz Czechowski oder Helga M. Novak. Zudem geben literarische Arbeitsproben Einblick in das frühe Schaffen von Autoren wie Sarah und Rainer Kirsch, Gert Neumann oder Katja Lange-Müller.
Das Projekt ist eines von vieren, die im Rahmen des Programms »Geisteswissenschaftliche Forschung« des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (SMWK) über die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gefördert werden und die das Thema der »Eliteförderung in der DDR« aus Perspektive der Musik-, Literatur-, Sport- und Theaterwissenschaften in den Blick nehmen.