„Es käme schon wirklich darauf an, mit einem Minimum von der Fernsehapparatur willkürlich Hinzugefügtem sich der Sache selbst möglichst rein so zu überlassen, dass sie für sich spricht...“
Das sagte Theodor W. Adorno vor gut 60 Jahren in einem TV-Interview mit dem Hessischen Rundfunk über das Medium Fernsehen. Nun machen wir in der L.I.S.A.Redaktion kein Fernsehen im klassischen Sinne, aber wir produzieren Filme – insbesondere unsere Forschungsdokumentationen L.I.S.A.Video –, für die der Satz Adornos entsprechend gelten könnte. So auch für unsere neue Reihe, die wir heute gestartet haben, bei der Adorno zwar die zentrale Referenz aber nicht das eigentliche Thema ist. Vielmehr konzentriert sich der Historiker Dr. Jörg Später in seinem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekt auf Adornos Schüler. Diese werden in den kommenden Wochen in einer kleinen Rundreise durch Deutschland nach und nach vorgestellt – mit so viel Fernsehapparatur wie nötig und so viel Zeit für Wissenschaftler und Zeitzeugen wie möglich. In der ersten Station fängt alles beim Ursprung an: beim Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen begeht.
An einer anderen Stelle des HR-Interviews deutet Adorno den Zusammenhang zwischen Fernsehen und kritischer Aufklärung an, die uns zu einem kleinen Themenschwerpunkt in unserem heutigen Newsletter führt:
"Ich habe einmal teilgenommen an einer Fernsehsendung […], wo man auf die ausgezeichnete Idee gekommen war, zur Frage des Antisemitismus Leute auf der Straße zu interviewen, und es haben sich dabei auf den Fernsehschirmen einige Gesichter verirrt, die so schreckenerregend waren, wie das, was sie von sich gaben, und die mehr als jede beschwichtigende Statistik beweisen konnten, bis zu welchem Maß das totalitäre und damit auch das antisemitische Potential immer noch unter uns gegenwärtig ist."
Vom antisemitischen Potential nicht nur vor 60 Jahren spricht in seinem Vortrag der Historiker und stellvertretende Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Professor Uffa Jensen. Im Mittelpunkt steht dabei ein antisemitischer Doppelmord im Jahr 1980 in Erlangen, dessen Muster bis in die Gegenwart hineinreicht.
Ortswechsel: Bermuda, heute vor 80 Jahren. Um nicht der antisemitischen Propaganda der Nationalsozialisten in die Hände zu spielen, verzichteten die Verhandlungsführer der Bermuda-Konferenz 1943 darauf, von "jüdischen Flüchtlingen" zu sprechen, obwohl es dort um die Rettung ebendieser gehen sollte. Während die Delegierten auf der Atlantikinsel verhandelten, nahmen zeitgleich im Warschauer Ghetto tausende Juden den bewaffneten Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht auf. Über die Parallelität beider historischer Ereignisse sprachen wir mit dem Historiker Dr. Sebastian Musch, Universität Osnabrück, der in einem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Forschungsprojekt die Gründe und Folgen des Scheiterns der Bermuda-Konferenz erforscht.
Die Gestaltbarkeit von Geschichte in einem vor allem theoretischen Sinne diskutierten in der Reihe vhs.wissen live der Philosoph Professor Kurt Bayertz und der Journalist Patrick Bahners Ende Januar im Haus der Gerda Henkel Stiftung. Der Videomitschnitt liegt nun endlich vor. Sie finden ihn in unserer Übersicht, so wie viele weitere Beiträge auch, bei denen es sich mindestens genauso lohnt, näher hinzuschauen.
Mit herzlichen Grüßen aus der Malkastenstraße
Ihre L.I.S.A.Redaktion