Liebe L.I.S.A.Community,
in unserem heutigen Newsletter finden Sie Beiträge, die sich miteinander in Beziehungen stehend denken lassen. Es handelt sich dabei um Veröffentlichungen rund um den Themenkomplex Rassismus, Kolonialismus sowie das Schreiben und Sprechen darüber - so könnte man es vielleicht zusammenbinden. Entstanden sind die hier angesprochenen Beiträge jedoch alle unabhängig voneinander, keiner bezieht sich dabei konkret und gewollt auf einen der anderen. Und doch lässt sich für spätere Generationen von Historikern und Historikerinnen daraus möglicherweise ein Indiz mehr für den Zeitgeist des Jahres 2020 ablesen: Welche Themen beschäftigten damals die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften? Wie wurde über sie geschrieben und gesprochen? Worauf lag der wissenschaftliche aber auch gesellschaftspolitische Fokus? Worüber wurde gestritten?
Im Einzelnen: In der vergangenen Woche haben wir eine neue Videoreihe gestartet, in der ein von der Gerda Henkel Stiftung gefördertes Projekt dokumentiert wird. Es geht dabei um ein Forschungsvorhaben, bei dem nigerianische und deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Geschichte des Raubs der sogenannten Benin-Bronzen erforschen. Dieses Projekt steht dabei nicht zuletzt im Zeichen der gegenwärtigen Debatten um die Restitution von Kulturgütern, die während der Kolonialzeit auf verschiedenen Wegen und aus unterschiedlichen Umständen aus Afrika nach Europa gebracht wurden, um seither beispielsweise in deutschen Museen gelagert und ausgestellt zu werden. Um nachträgliche Gerechtigkeit für begangenes Unrecht geht es auch in unserem Interview mit der Historikerin Dr. Kata Krasznahorkai. Sie untersucht in ihrer Arbeit den Aufstieg der schwarzen Philosophieprofessorin Angela Davis zur weltweit bekannten Ikone für Antirassismus und Postkolonialismus sowie deren künstlerische Rezeption im früheren sogenannten Ostblock. Im Interview ordnet die Forschungsstipendiatin der Gerda Henkel Stiftung den Prozess der Ikonisierung Davis' sowohl im Kontext der Block- und Systemkonfrontation der Nachkriegszeit ein als auch dem der schwarzen politischen Bewegung rund um die früheren Black Panthers bis zu den heutigen Black Lives Matter-Initiativen. Im Umfeld aktueller Rassismus-Debatten steht auch die Zoom-Videodiskussion, die der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) initiiert hat. In einer zweiteiligen Reihe tauschen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA, Großbritannien und Deutschland über die historische Dimension von Rassismus in Krisenzeiten aus und werfen im ersten Teil vor allem einen Blick auf die aktuelle Corona-Pandemie. Eine ganz andere Perspektive, eine Art Binnenperspektive, nehmen die Historikerin Prof. Dr. Christina Morina und der Historiker Prof. Dr. Norbert Frei in ihrem gemeinsamen Beitrag ein, der Rassismus und die Geschichtswissenschaften in einen Zusammenhang rückt. Passend zu diesen Themen ist noch die Ankündigung der internationalen Konferenz mit dem Titel Colonialism as Shared History, die heute als dreitägige Zoom-Konferenz beginnt und von L.I.S.A. aufgezeichnet wird. Außerdem noch zwei Beiträge, die sich mit der Frage beschäftigen, wie in Zeiten eines ausgeprägten Krisenbewusstseins, hoher kommunikativer Intensität und großer Erregungsbereitschaft über welche Themen auf welche Art und Weise gesprochen und geschrieben wird.
Hinzu kommen weitere interessante Themen wie zum Beispiel zwei neue Videovorträge aus dem Bereich der Medizingeschichte zu Gesundheit und Gesundheitskonzepten sowie eine neue Podcast-Reihe, die am vergangenen Sonntag begonnen hat: Auf eine akademische Viertelstunde mit..., so nennt sich ein Gesprächsformat der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, in dem Mitglieder der Akademie zu ihren Forschungsbereichen interviewt werden. Außerdem möchten wir noch auf das Zu Gast bei L.I.S.A.-Videogespräch mit der Historikerin Dr. Annelie Ramsbrock vom Zentrum für Zeithistorischer Forschung Potsdam (ZZF) hinweisen, die in einem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekt die Geschichte der Resozialisierung in bundesdeutschen Gefängnissen untersucht hat und dabei zu ziemlich ernüchternden Ergebnissen gekommen ist.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre L.I.S.A.Redaktion