Für die verschiedenen Heiligen werden korrespondierende Trommelrhythmen gespielt, die sich jedoch von Region zu Region bzw. von Zona zu Zona (Stadtteil) unterscheiden können. Ich habe mit meinem Lehrer die verschiedenen Rhythmen in Isolation aufgenommen und im Verlauf meiner Feldforschung auch drei weitere San Jon-Spieler in Isolation aufnehmen können und somit sehr gutes Vergleichsmaterial gesammelt. Ich kann so zeigen, wie sich die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Umfeldern (Heimatdorf, Zona, Familie) im Sinne einer Sonic Community durch das Trommeln bestimmter Rhythmusvarianten äußert. Diese These habe ich mit meinen InformantInnen besprochen und im Feld getestet. Die Aufnahmen in Isolation ergeben zusammen mit den Aufnahmen während der Hauptfeiertage, bei denen ich Gruppen von etwa 15 Trommlern beobachtet habe, ein kohärentes Bild. So konnte ich eine bestimmte rhythmische Wendung auf den Einfluss einer einzelnen Familie zurückführen.
Das Phänomen Kolá San Jon ist zu vielfältig, um es hier angemessen darstellen zu können. Ich liste deshalb nur einige Aspekte der Feiern auf und hoffe, dass sich im Zusammenspiel mit den Fotos ein kleiner Einblick vermitteln lässt. Neben der katholischen Messe werden die Heiligen außerdem mit Devotionalien beschenkt. Die Trommeln zu ihren Ehren werden entweder in Gruppen vor und nach der Messe geschlagen oder aber als Teil einer San Jon-Gruppe in Begleitung von Menschen, die Holzschiffe, Schwerter und Fahnen tragen, gespielt.
Am 9. Juni konnte ich das erste Mal bei einer Feier mit San Jon-Trommeln aktiv als Musiker teilnehmen. Hier hat sich für mich deutlich der Wert von ‚teilnehmender Beobachtung‘ in musikethnographischer Forschung gezeigt: Im Gegensatz zu meiner Feldforschung 2016, wo ich lediglich als ‚Beobachter‘ an den Festen teilnahm, habe ich diesmal als Teil einer Gruppe einen tieferen Zugang zur Tradition erreichen können. Aus meiner aktiven Teilnahme ergaben sich für mich ein besseres Verständnis der musikalischen Aspekte der San Jon-Feiern, ein besseres Verständnis der körperlichen Grenzerfahrung, die Trommler während der Festas Juninas durchmachen, der kulturellen und sozialen Signifikanz der Festivitäten, der sozialen Struktur der Kap Verdischen Gesellschaft und der Organisation der beteiligten Gruppen während der Feste. Ab meinem ersten Auftreten als Musiker ergaben sich für mich mehr Interview und Spielmöglichkeiten als ich schlussendlich wahrnehmen konnte. Meine Sorgen, die mich im ersten Monat bedrückt hatten, stellten sich als vollkommen unbegründet heraus.