Von Lüttich nach Aachen im Auto. Schreckliche Zerstörungsbilder in fast allen Dörfern längs der Chaussee. Namentlich in Hervé und Battice. Battice ist vollständig zerstört, in einem Hause liegen noch Leichen, eine Frau und zwei Kinder. Als wir die Grenze überschreiten, ändert sich das Bild ganz plötzlich; lachende Fluren, hübsche Häuser, fröhliche Kinderschaaren. Die Leute grüssen aber nicht mehr sklavisch, wie in Belgien, sondern freundlich und unbefangen. In Aachen in Nüllers Hotel gefrühstückt mit Below, Zobeltitz, Oldenburg etc. Der General Claer kam an den Tisch. Below sprach ihm sein Beileid aus zum Tode seines Sohnes, der vor Lüttich oder an der Somme gefallen ist. Des alten Herrn Mundwinkel zuckten, aber er hielt sich standhaft, bemerkte nur, sein anderer Sohn sei auch verwundet, er wisse nicht wo er sei; ob wir ihn nicht irgendwelche Auskunft geben könnten. Wir wussten leider nichts. Er fuhr Nachmittags zurück ins Hauptquartier. Abends kam der Sohn, der nur leicht verwundet ist, an unseren Tisch; er war den ganzen Tag im Hotel gewesen, ohne von der Anwesenheit seines Vaters zu wissen. Er und ein anderer verwundeter Hauptmann erzählten viel Interessantes von der Schlacht an der Sambre; namentlich, dass wir immer den Fehler machten zu stürmen, ehe die Artillerie den Infanterieangriff genügend vorbereitet habe. Below schickte den Hauptmann zu Gallwitz der am Nebentisch sass, damit er ihm dieses mit Erläuterung erzähle.
30 August 1914 Sonntag. Aachen
Tagebucheintrag Harry Graf Kessler
CC-PD-Mark, Postkartensammlung, deutscher Militärfotograf (WikimediaCommons)