Leute machen Kleider, Kleider machen Leute. Für den venezianischen Maler Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770) trifft beides zu, wenn auch in der künstlerischen Repäsentation von Kleidern und Leuten. Den Figuren in seinem umfassenden Werk Kleider zu malen, war nicht zufällig gewählt, sondern unterlag bei Tiepolo einem durchdachten Konzept. Die Bekleidung war vielmehr mit Bedeutung aufgeladen, vor allem dann, wenn die Gewänder und Tücher, die Rüstungen und Accessoirs historisch auf den ersten Blick wie ein Anachronismus wirken. Der Kunsthistoriker Dr. Torsten Korte hat in seinem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Promotionsprojekt die Kostüme insbesondere im Historienbild erforscht und analysiert. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
„Vielschichtige symbolische Bedeutung von Kleidung in ihrer historischen Tiefe verstehen“
L.I.S.A.: Herr Dr. Korte, Sie haben sich in Ihrem Dissertationsprojekt mit der Darstellung von Kleidung in Giambattista Tiepolos Malerei auseinandergesetzt. Inzwischen ist Ihre Arbeit unter dem Titel "Tiepolo und das Kostüm" erschienen. Bevor wir auf einige Details zu sprechen kommen – wie sind Sie zu Ihrem Thema insgesamt gekommen? Welche Überlegungen oder auch Studien gingen dem voraus?
Dr. Korte: Die Darstellung von Kleidung in den Bildkünsten hat mich lange Zeit, schon seit Beginn des Kunstgeschichtsstudiums, interessiert. In der europäischen Kunst, die ja bis ins 20. Jahrhundert in überwiegenden Teilen figürlich ist, sind Kleiderdarstellungen omnipräsent, deren Bedeutung sich nicht unmittelbar erschließt. Dieser Aspekt wird in Forschung und Lehre noch zu wenig thematisiert. Wir wissen ja alle aus unserem Alltag, welche komplexen und oft uneindeutigen Botschaft von Kleidung und Mode ausgehen. Kleider funktionieren wie Bilder, die wir am Körper tragen und mit denen wir – ob wir wollen oder nicht – ständig visuelle kommunizieren. Ich war neugierig darauf, diese vielschichtige symbolische Bedeutung von Kleidung in ihrer historischen Tiefe zu verstehen, und dann vor allem zu untersuchen, welche spannungsvollen Dynamiken sich ergeben, wenn ein vielschichtiges Zeichensystem, das der Kleidung, in ein anderes, das der Malerei, integriert wird. Giambattista Tiepolos Kunst habe ich während meines Erasmus-Studiums in Venedig kennengelernt, und ich war sofort fasziniert von seiner abwechslungs- und detailreichen, sinnlich schönen Malerei von Kleidung und Textilien.