Kürzlich erschien der wichtige Sammelband Ottoman Sunnism: New Perspectives (Edinburgh University Press, 2019) über den osmanischen Sunnismus, indem auch ein Beitrag von mir veröffentlicht wurde. Das Band, gerausgegeben von Vefa Erginbaş (Providence College, USA), Erforscht den osmanischen Sunnismus von der Frühzeit des Osmanischen Reichs bis zu seinem Ende.
Die Kapitel stellen etablierte Paradigmen des osmanischen Sunnismus in Frage und bieten ein komplexes und differenziertes Verständnis des Themas. Es befasst sich mit der umstrittenen Natur des osmanischen Sunnismus vom 14. bis zum frühen 20. Jahrhundert und bezieht sich auf verschiedene Perspektiven im gesamten Reich. Die intellektuellen, sozialen und mystischen Traditionen innerhalb des Reiches werden genau analysiert, und die Möglichkeiten des osmanischen Sunnismus verdeutlicht und als komplexes, nuanciertes und sich weiterentwickelndes Konzept dargestellt.
Die Autoren dieses Bandes "retten" den osmanischen Sunnismus vor einer zunehmend bipolaren Definition, die die Osmanen als Verankerung einer klar definierten Orthodoxie darstellen und gegensätzliche Heterodoxie unterdrückt haben sollen. Die Kapitel stellen etablierte Vorstellungen in Frage, die die vorhandene Literatur geprägt haben, und tragen in erheblichem Maße nicht nur zur laufenden Debatte über das osmanische Zeitalter der Konfessionalisierung bei, sondern auch zur Erforschung der Religion im osmanischen Kontext.
Mein Beitrag "The Ottoman Policy of Correction of Belief(s)" befasst sich mit einem von Historikern erwähnten, aber bis dato eher nicht hinterfragten Strategie der Osmanen. Studien über sogenannte "heterodoxe" religiöse Gruppen in der späten osmanischen Zeit von Sultan Abdülhamid II. (Reg. 1876-1909) erörtern die Anwendung der "Korrektur des Glaubens" (tashih-i itikad / akaid) auf nicht-sunnitische islamische Gruppierungen wie die Aleviten (Türkisch und Kurdisch), die Nusairier (Alawiten) in Syrien, die Schiiten im Irak oder die Jesiden in Ostanatolien. Die Hamidische Regierung versuchte, sie zu "zivilisieren" und in gehorsame "gute" Muslime zu umzuerziehen, um so eine "Feinabstimmung" ihres Glaubens vorzunehmen. In diesem Kapitel wird diese Politik mit der Politik von Mahmud II. (Reg. 1808-1839) verglichen, der bereits eine Politik der „Korrektur des Glaubens“ auf den Bektaschi Sufi-Orden angewandt hatte, den er als Verbündete der 1826 eliminierten Janitscharen (Elite-Militärtruppen) verfolgte. In diesem Kapitel wird die Entwicklung der Verwendung des vernachlässigten Konzepts der tashih-i-itikad / akaid vom späten 18. Jahrhundert bis zum späten 19. Jahrhundert untersucht, eine Zeit, die sich durch eine zunehmende Zentralisierung der Politik auszeichnet. Es wurden Konversionskampagnen durchgeführt, um den von der osmanischen Regierung definierten „wahren“ sunnitischen Glauben durchzusetzen und die Ordnung angesichts der Drohungen von Gruppen, denen Häresie und Ungehorsam vorgeworfen wurde, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.