„Der 1. Mai verkündet die Losung des achtstündigen Arbeitstages. Aber auch nach der Erlangung dieses Zieles wird die Maifeier nicht aufgegeben.“
So stand es im Februar 1894 in der Sprawa Robotnicza (Sache der Arbeiter), der Zeitung, die Rosa Luxemburg im Pariser Exil gegründet hatte. Die Durchsetzung des Achtstundentages stand spätestens mit dem Generalstreik am 1. Mai 1886 in den USA im Mittelpunkt der internationalen Arbeiterbewegung. 1890 beging sie erstmals weltweit den Maianfang als Tag der Arbeit und erinnerte dabei auch an die blutigen Ausschreitungen vier Jahre zuvor in Chicago. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs ist der 1. Mai in zahlreichen Ländern ein gesetzlicher Feiertag, in Deutschland erstmals 1919. Der Achtstundentag wurde dabei zur Norm im Arbeitsleben. Diesem Sog der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Arbeiterbewegung bzw. der Erwerbsarbeit konnte sich nicht einmal die katholische Kirche entziehen. So erklärte Papst Pius XII. 1955 zusätzlich zum seit jeher bestehenden 19. März auch den 1. Mai zum Tag des heiligen Josef, dem Schutzpatron der Arbeiter.
Neben der Regulierung und Verkürzung der Arbeitszeit ist die Forderung nach gerechten Löhnen und Gehältern das zweite zentrale Anliegen von Arbeitervertretungen. Dass dabei aber vor allem überwiegend der männliche und vorwiegend in der Industrie tätige Teil der Arbeiterschaft im Blick war, mag mit ein Grund dafür sein, dass die Forderung nach gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit sich inzwischen vom 1. Mai entkoppelt hat. Der sogenannte Equal Pay Day, der die Schließung der Lohnlücke zwischen Mann und Frau zum Ziel hat, hat inzwischen seinen eigenen internationalen Aktionstag – in Deutschland dieses Jahr am 6. März, zwei Tage vor dem internationalen Frauentag. Zur Geschichte und Gegenwart der Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau haben wir die Historikerinnen Johanna Wolf und Wiebke Wiede um ein Interview gebeten, das Sie weiter unten finden.
Ob die Prognose Rosa Luxemburgs über die dauerhafte Bedeutung der „Maifeier“ zutrifft, darüber diskutierten beim Salon Sophie Charlotte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die Soziologin Jutta Allmendinger, der Historiker Jürgen Kocka und die Architektin Regine Leibinger. Sie plädieren unter anderem dafür, den Begriff der Arbeit künftig durch den der Tätigkeit zu ersetzen. Mehr dazu in unserem Videobeitrag.
Weniger um einen Wandel der Begriffe als um eine Verwandlung im Sinne einer Metamorphose geht es in der neuen Folge unserer Videoreihe Kunstgeschichten. Darin erläutert der Kunsthistoriker Henry Keazor Nicolas Poussins großformatige Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe, in der sich eine dramatische Episode aus Ovids Metamorphosen abspielt. Geklärt wird in dem Beitrag auch, warum die Farbe der Blüten des Maulbeerbaums einst Weiß war und heute Blutrot ist...
Um die Farbe Gold wiederum geht es nur ganz vordergründig in unserer neuen Folge von Zu Gast bei L.I.S.A. mit der Mediävistin Eva Schlotheuber. Tatsächlich dreht sich das Gespräch um eine prachtvolle Neuedition der Goldenen Bulle von 1356, die von der These geleitet wird, die berühmte Urkunde aus dem Mittelalter sei nicht nur ein Grundgesetz für das Heilige Römische Reich gewesen, sondern verweise darüber hinaus auf eine gesellschaftliche Utopie.
Apropos Grundgesetz und Utopie: Der Historiker Michael Schwartz zeichnet in seinem Vortrag Gründungskonflikte der zwei Deutschlands nach dem Nationalsozialismus nach. Die dabei so zentralen Fragen nach der Verteilung von Wohnraum, Eigentum und Arbeit bewegen sich bis heute im historischen Umfeld der Arbeiterbewegung seit dem 19. Jahrhundert.
Mit herzlichen Grüßen und einen schönen 1. Mai wünscht
Ihre L.I.S.A.Redaktion