L.I.S.A.: In einem aktuellen Projekt untersuchen Sie, wie sich Musliminnen in Sozialen Netzwerken selbstdarstellen - beispielweise bei Facebook. Welche Rolle spielt dabei das Kopftuch? Würden Sie die jungen Frauen als emanzipiert bezeichnen?
Dr. Şahin: In meinem aktuellen Projekt schaue ich mir vor allem religiöse Darstellungen in Bild und Sprache auf den privaten Profilseiten von Musliminnen an - aber nicht nur von Kopftuch tragenden Frauen, sondern auch von denjenigen ohne Kopftuch sowie jeglicher Religiositätsgrade. Auch die innerislamische und ethnische Vielfalt möchte ich in meiner Studie erfassen: Frauen mit türkischer Herkunft, palästinensischer Herkunft, tunesischer Herkunft sowie Sunnitinnen, Alevitinnen, Schiitinnen und gegebenenfalls Yezidinnen. Ich schaue mir dabei die Art und Weise an, wie sich die Frauen auf ihren eigenen Fotografien darstellen - vorausgesetzt sie zeigen sich.
Daneben untersuche ich, was sie bezüglich ihrer Religion und Politik sagen. Hierbei fiel mir bis jetzt auf, dass sich viele Frauen auf ihren Profilseiten mit Kopftuch selbstbewusst zeigen und offen zu ihrer religiösen Identität stehen. Eine der Befragten postete vor einiger Zeit das Motto: „A women doesn’t follow, she leads!“ Eine andere zeigt sich vom Betrachter abgewendet und begründet es damit, dass sie zu viele Anfragen von muslimischen Heiratsanwärtern erhält, wenn sie als Kopftuchträgerin ihr Gesicht zeigt. Das habe sie allmählich satt. Ich habe damit sozusagen Zugang zu den ungefilterten Haltungen von muslimisch sozialisierten Frauen in Deutschland.
Natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass alle Muslima par excellence emanzipiert sind – aber die junge Generation von MuslimInnen in Deutschland ist anders als die erste Generation, weil sie einen Zugang zum Bildungssystem hat, gesellschaftspolitisch engagiert und daran interessiert ist, als deutsche MitbürgerInnen innerhalb der deutschen Gesellschaft anerkannt zu sein. Die alten Bilder über „Muslime“ in innerdeutschen Köpfen sind demnach zu korrigieren!
Ein wichtiges Thema für Musliminnen bei Facebook ist beispielsweise das seit 2003 in Kraft getretene Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Schulen. Die just medial thematisierte Aufhebung dieses Verbots hat viele Betroffene sehr gefreut, obwohl einige unter ihnen skeptisch sind, ob das Gesetz auch in den einzelnen Bundesländern umgesetzt werden kann. Die Mehrheit der jungen Kopftuchträgerinnen will eben nicht als Hausfrau enden, sondern berufstätig sein und eine Familie gründen. Bei dem Kopftuchverbot für Lehrerinnen fragt man sich, ob es letztlich hinderlicher für die Selbstbestimmung von muslimischen Frauen ist, als es das Kopftuch angeblich zu sein scheint.
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Grundsätzlich freue ich mich sehr, dass immer mehr Einwandererkinder den gesellschaftlichen und akademischen Sprung schaffen.
Dabei bin ich mir aber unsicher, ob es notwendig ist diesen Unfug wie das Tragen eines Kopftuches - und ja, das ist Unfug - im Gericht oder an der Schule zu gestatten.
Vielleicht ist es aber auch nur ein kleiner Preis für die Emanzipation der Muslimischen Gemeinschaft in Deutschland. Wenn wir im Gegenzug die Meinungsfreiheit behalten können, sowie den Religionsfreiheit endlich sinnvoll in die Schranken verwiesen wird ist die Gestattung des Tragen eines bunten Tuches auf dem Kopf kein all zu schlimmer Preis.
Und danach können gerne Politikwissenschaftler und Soziologen wie Frau Dr. Sahin kommen und das irgendwie begründen.
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Wir haben über meine Frau (Ausländerin) eine albanische Familie kennengelernt. Erst nach einer Weile haben wir zufällig erfahren, dass sie Muslime sind. Wieso?
Weil der Mann ganz normal einer Arbeit nachgeht, weil die Frau ganz normal (und ohne Kopftuch) mit meiner Frau zusammen einkaufen gehen kann und weil man seine Religion nicht zur Schau stellt oder agressiv anderen aufdrücken will, sondern für sich im Privaten und ggf. gelegentlich im Zusammensein mit Gleichgläubigen lebt. Damit kann ich gut. Das kratzt auch nicht an meinem Lebensgefühl. Meine Friseurin aus Palestina ist auch sehr nett. Sie ist Muslimin, braucht aber auch kein Kopftuch. Die kann auch mit Satire umgehen.
Es gibt sie, die Lichtblicke. Aber der hierzulande überhandnehmende Großteil dieser radikalen Islamisten, ob Sie mich prügeln wegen Bildern/Karrikaturen oder ob sie sich unbedingt mit Hilfe von Kopftüchern selbst ausgrenzen, soll doch lieber zu einer friedvollen Welt beitragen, indem er sich zum Leben in eine gleichgesinnte Gesellschaft begibt statt hierzulande mein Lebensgefühl zu beeinträchtigen.
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