Meine Erfahrungen mit dem Review Prozess und meinem ersten Review bei der DHd-Jahrestagung 2022
a) Auswahl der thematischen Prioritäten
Als ersten Schritt, noch bevor man einen Beitrag zur Begutachtung zugewiesen bekommt, muss man im Conftool (Conference Management Software der DHd-Jahrestagungen) thematische Prioritäten auswählen. Meine Auswahl fiel mir leichter als gedacht: Durch mein vielfältiges Studium (Romanistik, Jura, Computerlinguistik, Germanistik) hatte ich mich bereits mit einigen Fachdisziplinen näher beschäftigt. Ich schaute mir einige Beiträge der vergangenen Konferenzen an sowie die thematischen Prioritäten der Beiträge, an deren Einreichung ich bereits beteiligt war und entschloss, mich bei meiner Wahl auf die Themenbereiche zu konzentrieren, mit denen ich mich seit Beginn meiner Promotion eingehender beschäftigte. In den neun Themengroßbereichen: Erfassen, Erzeugung, Anreichern, Analysieren, Interpretation, Aufbewahren, Veröffentlichen, Rahmenaktivitäten und Objekte wählte ich sechs thematische Prioritäten (Anreichern: Annotieren; Rahmenaktivitäten: Bewertung, Lehre; Objekte: Sprache, Literatur, Text).
b) Auswahl der Anzahl an Begutachtungen
Bei der Angabe einer Maximalanzahl an Beiträgen, die einem zur Begutachtung zugewiesen werden dürfen, war ich mir zunächst sehr unsicher. Die Bitte "[a]ngesichts der hohen Zahl eingegangener Beiträge [...], mindestens 3 Einreichungen zu begutachten" (Conftool DHd2022), setzte mich ein wenig unter Druck, weil ich mangels Erfahrung nicht einschätzen konnte, wie viel Zeit ich realistischerweise für das Schreiben eines Reviews aufbringen müsste. Schließlich entschied ich mich, eine Maximalanzahl von zwei Beiträgen anzugeben. Aufgrund eines Befangenheitsfalles blieb mir davon am Ende jedoch nur ein zu begutachtender Beitrag übrig. Durch die Erfahrung mit dem Verfassen meines ersten Reviews kann ich nun realistisch einschätzen, wie viel Zeit ich für die Begutachtung eines DHd-Abstracts einplanen muss, sodass ich für die kommenden Jahrestagungen mehr Reviews übernehmen können werde.
c) Handreichung zur Begutachtung von DHd-Beiträgen
Um genau zu wissen, worauf ich bei der Begutachtung der mir zugewiesenen Beiträge besonders achten muss, machte ich mich vor dem Lesen der Beiträge mit der Handreichung zur Begutachtung von DHd-Beiträgen (Burghardt et al. 2022) vertraut. Der entnahm ich auch, dass ich den einen Beitrag aufgrund meiner Zusammenarbeit mit einer:m der Autor:innen nicht begutachten durfte, was ich direkt im Conftool angab, damit der Beitrag anderweitig zugewiesen werden konnte.
d) Formulieren des Reviews
Mir halfen meine Erinnerungen an die heterogenen Diskussionen in der Task Force Optimized Peer Reviewdabei, den mir zugewiesenen Beitrag aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Optimistisch ging ich das Review an und dachte, dass es mit Sicherheit ein qualitativ hochwertiger Beitrag sein würde, an dem ich nicht viel zu bemängeln haben würde.
Mein geplantes Vorgehen war deswegen,
(1) beim Lesen zunächst die Passagen und Details zu markieren, die ich besonders gelungen fand, und dazu eine positive Rückmeldung zu formulieren,
(2) zu schauen, ob ich durch mein Fachwissen und meine Erfahrung hilfreiche Anmerkungen geben kann, um die Autor:innen darin zu unterstützen, ihren Beitrag noch besser zu machen und aus einer anderen Perspektive auf ihren Beitrag zu blicken.
Es kam etwas anders: Der Beitrag, den ich begutachten durfte, beinhaltete eine schöne, auf den DHd-Jahrestagungen noch unterrepräsentierte Idee. Nach dem ersten Lesen hatte ich jedoch das Gefühl, den Beitrag im Hinblick auf die Bewertungskriterien nicht zur Annahme empfehlen zu können. Ich hatte selbst zu dem Bereich mehrere Lehrveranstaltungen während meines Masterstudiums besucht, sodass ich einen Überblick über die einschlägige Forschungsliteratur hatte. Die angegebenen Referenzen in der Bibliographie hatte ich teilweise gelesen und an dem einen Beitrag sogar selbst mitgewirkt.
Zunächst war ich verunsichert: Als junge Reviewerin ein Gutachten zu schreiben, dass im freundlichen und annehmbaren Stil, wertschätzend mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen den Autor:innen und dem Programmkomitee zurückmeldet, dass ein Beitrag nicht zur Annahme empfohlen werden kann, fand ich ganz schön straight forward. Nach mehrmaligem Lesen fühlte ich mich in meiner Entscheidung bestätigt und setzte mich an die Ausformulierung meines Reviews. Der Schreibprozess zog sich schließlich über mehrere Tage (effektive Recherche- und Schreibzeit ca. 3,5 Stunden). Ich kontrollierte meine Rückmeldungen zu verschiedenen Tagesstimmungen und nutzte den Perspektivwechsel mich stets fragend, wie ich mich fühlen würde, bekäme ich diese Rückmeldung für einen Beitrag, in den ich viel Arbeit, Zeit und Mühe hineingesteckt hatte. Am Ende enthielt mein recht langes Review Vorschläge für weiterführende Literatur, Hinweise auf aktuellere Publikationen zu dem Thema sowie auf die Einhaltung der formalen und inhaltlichen Vorgaben für Einreichungen des gewählten Beitragsformats bei einer DHd-Jahrestagung.
e) Absenden des Reviews und Rebuttal
Das Absenden meines Reviews zögerte ich bis kurz vor Deadline hinaus. Schließlich sendete ich es ab mit dem Gedanken, es nach bestem Wissen und Gewissen verfasst zu haben. Außerdem wusste ich, dass eine Annahme oder Absage eines Beitrages nicht ausschließlich hinsichtlich eines einzelnen Reviews ausgesprochen wird, sondern dass das Programmkomitee mein Review gemeinsam mit weiteren Reviews zu dem Beitrag als Entscheidungsgrundlage verwenden würde. Die Autor:innen haben sich nicht am Rebuttal beteiligt, sodass ich keine Rückmeldung zu meinem Review erhielt und auch nicht mit den Autor:innen in Kontakt trat.
Meine 10 Takeaways zum Reviewing als junge:r Reviewer:in
- Das Programmkomitee sowie auch die Autor:innen sind für jedes konstruktive Review dankbar, das gut ausgearbeitet und gewissenhaft verfasst wurde.
- Als junge:r Reviewer:in darf man auch gerne eine geringere Anzahl an Beiträgen angeben, die man begutachten möchte, um dadurch realistisch einschätzen zu lernen, wie groß der zeitliche Aufwand für das Verfassen eines Reviews für die ausgewählte Konferenz ist.
- Es ist für das Programmkomitee ein größerer Aufwand, Reviews kurz vor der Abgabefrist neu verteilen zu müssen, weil man sich mit der angegebenen Reviewanzahl übernommen hat, als von Anfang an weniger Reviews für eine:n Reviewer:in einzuplanen.
- Reviewing ist manchmal eine Gratwanderung zwischen:
Man kann aus seiner Perspektive konstruktives Feedback geben, auch wenn man einen Beitrag von Expert:innen zu einem Bereich begutachtet, in dem man sich zwar auskennt und die grundständige Literatur gelesen hat, jedoch selbst nicht unbedingt als Expert:in auftritt;
und: Kosten-Nutzen sind nicht ausbalanciert — der Aufwand ist höher, sich selbst in den Bereich einzuarbeiten, als das formulierte Review schließlich für die Autor:innen nützlich wäre.
- Im Falle, dass das Thema eines zu begutachtenden Beitrags nicht zu den eigenen thematischen Prioritäten passt, kann man (am besten sofort nach der Zuteilung) die Übernahme des Reviews absagen, damit der Beitrag anderweitig zugewiesen werden kann.
- Interessant für die Autor:innen ist auch die Außenperspektive auf den Beitrag, um herauszufinden, ob der Beitrag so geschrieben wurde, dass er nur für Expert:innen des Themas verständlich ist oder auch darüber hinaus.
- Ein Rebuttal ist kein hitziges Re-"battle", sondern eine Chance für Autor:innen wie auch für Reviewer:innen, uneindeutige Formulierungen zu erklären und weitere Informationen zu liefern, wovon die Endversion des Beitrags profitiert.
- Open Identities ist eine Chance für junge Reviewer:innen, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und ermöglicht eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit den Forschenden. Dadurch entsteht Austausch schon vor der Publikation des Beitrags über bestehende Forschungsgruppen hinaus und auch im Falle einer finalen Nichtannahme eines Beitrags können Beitragende und Reviewende in Kontakt treten.
- Reviewing ist (ehrenamtlicher) Einsatz für die Forschungscommunity, den man sich in den Lebenslauf schreiben darf.
- Die DHd-Community ist ein angenehmer Rahmen, um ins Reviewing hineinzuwachsen. In einem wohlwollenden, konstruktiven Klima lassen sich Erfahrungen mit dem Reviewprozess bei Konferenzen sammeln.
Mein Dank gilt der Gerda-Henkel-Stiftung, die mir durch ihr Reisestipendium eine Teilnahme vor Ort an der DHd-Jahrestagung 2022 in Potsdam finanziert hätte, die schließlich nur virtuell stattfinden konnte, und mir stattdessen die Teilnahme am Barcamp zum Thema "Kulturdaten in Datenkulturen: Digital Humanities als kulturelle Praxis" mit den Stipendiat:innen der DHd-Jahrestagung Anfang Juli 2022 in Potsdam ermöglichte.
Referenzen
Burghardt, Manuel; Dieckmann, Lisa; Reiter Nils; Scholger, Walter; Steyer, Timo; Trilcke, Peer. (2021). Besseres Reviewing für die DHd. vDHd 2021 Experimente (vDHd). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5850738
Burghardt, Manuel; Dieckmann, Lisa; Guhr, Svenja; Reiter, Nils; Scholger, Walter; Steyer, Timo; Trilcke, Peer; Wuttke, Ulrike. (2022). Handreichung für den Begutachtungsprozess der DHd-Jahrestagungen (Version 1.0 (DHd2023)). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.6563437