Dass Menschen Abfall hinterlassen, scheint eine anthropologische Konstante zu sein: Wo Menschen sesshaft werden, da produzieren sie auch Müll. So beruht ein großer Teil des Wissens über die Frühgeschichte der Menschheit auf den weggeworfenen Dingen, die unsere Vorfahren hinterlassen haben. Und auch die Mülldeponien des 20. Jahrhunderts sind längst Gegenstand archäologischer Forschung. Was aber als sauber oder schmutzig, nützlich oder wertlos angesehen wurde, veränderte sich immer wieder im Laufe der Geschichte und hing stets mit der spezifischen Art und Weise des Wirtschaftens zusammen. Der Wirtschaftshistoriker PD Dr. Roman Köster hat dem menschlichen Umgang mit Müll eine globalgeschichtliche Untersuchung gewidmet, die für den Deutschen Sachbuchpreis 2024 nominiert war. Ein Interview über das Wegschmeißen und Entsorgen, das Müllsammeln und Recyclen.
„In der Vormoderne, waren die Knappheiten viel größer, entsprechend wurde sehr viel repariert“
L.I.S.A.: Herr Dr. Köster, Abfall und Müll sind nicht das, was man als klassischen Gegenstand der Geschichtswissenschaft bezeichnen würde. Sie haben im vergangenen Jahr eine Monographie vorgelegt, die sich als „Globalgeschichte des Mülls“ versteht. Was hat Sie bewogen, sich dieses Themas anzunehmen und vor welchen methodischen Herausforderungen standen Sie dabei?
PD Dr. Roman Köster: Zunächst hatte das einen ganz profanen Grund: Ich habe nach meiner Promotion einen Job gesucht und bin in einem vergleichenden Projekt zur britischen und deutschen Abfallgeschichte gelandet. Da war ich zunächst nur wenig begeistert, aber dann beginnt man, sich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen, und dann stellt man fest, wie spannend es ist und wie viele historische Bezüge es eröffnet. Allerdings habe ich in meiner Forschung lange Zeit vor allem auf den Müll nach dem Zweiten Weltkrieg geschaut, als er nach und nach zu einem globalen Umweltproblem wurde. Eine Globalgeschichte des Mülls von der Sesshaftwerdung bis heute zu schreiben, stellte dann nochmal eine ganz neue Herausforderung dar, weil man Parameter für einen globalen Vergleich finden musste. Zugleich sollte die Darstellung übersichtlich und gut lesbar bleiben.