Bei Senta ist die Geschichte klarer. Senta, wie sie selbst sagt, noch ein halbes Kind, hat vom Holländer gehört und verfällt in eine Art Erlösungswahn, in dem sie glaubt, den Holländer, den sie überhaupt nicht kennt, durch ihre Treue von seinem Schicksal erlösen zu können. Das lässt sich zur Not, als eine Art gesteigerter Zeugen-Jehova-Mission auf den bösen Jungen Holländer übertragen: eigenes Seelenheil, in dem ein anderer auf den rechten Weg gebracht wird. Die selbstdestruktiven Tendenzen, das Wahnhafte Sentas bleiben dabei auf der Strecke. Deutlich wird zumindest, sowohl in Wagners Fassung als auch in der Frankfurter Interpretation: die beiden zentralen Protagonisten, Senta und der Holländer sind hochnarzisstische Persönlichkeiten. Senta mit der Projektion ihrer Erlösungsphantasien auf eine Person, die sie lediglich aus Erzählungen kennt, der Holländer, der sich seine Erlösung von einer Person erhofft, die er ebenfalls nicht kennt und die von ihm schlicht funktionalisiert, gekauft wird. Um „Liebe“ jedenfalls geht es in dieser Oper nicht.
Es funktioniert schließlich auch, weil die Inszenierung dem wagnerschen Schauerstück, entsprechend dem Heineschen Text, gelegentlich parodistische Glanzlichter aufsetzt. So etwa wenn das Geld wie Schneeflocken vom Himmel fällt oder der schnöde, geldgierige Vater Daland mit seinen Geldsäcken wie verloren auf der Bühne herumsteht. Sie funktioniert weniger in der Spinnstubenszene des zweiten Aufzugs, in der die Näherinnen geradezu somnambul sinnlosen Tätigkeiten nachgehen. Auch das magisch-realistische Bühnenbild gerät hier an seine Grenzen. Es ist nicht nachvollziehbar, was gemeint ist, wenn die Spinn-/Nähstube als eine Mischung aus Schiffsdeck und sweatshop à la Bangladesh gezeigt wird.
Wagner hatte mit seiner Oper zunächst wenig Glück gehabt. Kostproben seiner „Romantischen Oper“, die er 1841an der Grand Opéra in Paris einreichte, wurden abgelehnt. Auf Fürsprache des Juden Mayerbeer wurde das Werk des Antisemiten Wager in Berlin akzeptiert, aber zunächst nicht aufgeführt. Schließlich fand die Uraufführung dann in 1843 Dresden, 1844 folgte eine Aufführung in Berlin – in beiden Städten mit mäßigen Erfolg. Der Durchbruch gelang der Oper erst zu Beginn des 20.Jahrhunderts, als wahrscheinlich meistgespielte Wagner-Oper. Gespielt wird in Frankfurt eben diese Dresdner Urfassung, die Wagner noch mehrfach überarbeitete.