Frau Lorenz, als Vertreter eines Wissenschaftszweigs, der sich mit älteren historischen Epochen, das heißt konkret als Klassischer Archäologe mit der griechischen und römischen Antike, beschäftigt, kann ich Ihren Ausführungen nur in allen Punkten zustimmen. Ich teile sowohl Ihren Kulturpessimismus als auch Ihre pragmatische Herangehensweise an die Thematik (Stichwort "Schadensbegrenzung").
Viele Aspekte, die Sie im Hinblick auf den Verlust der Deutungshoheit der Wissenschaft ansprechen, sind indes nicht neu. Erinnert sei etwa im Zusammenhang mit dem von Ihnen angesprochenen zweifelhaften Erfolg des "Freizeitlehrers" Salman Khan an Erasmus von Rotterdam, der ja schon im frühen 16. Jahrhundert darauf hinwies, daß die "Weisen" für das Lob "ein paar Halbblinder" ihre Gesundheit und ein beschauliches Leben opfern, während solche, die noch so kindische Kindereien verzapfen, von allen "Toren und Banausen" in den Himmel gehoben werden. Denn "was bedeuten die Stimmen der Handvoll Weisen, wo eine so riesige Übermacht sie niederschreit". Ich möchte die Vertreter der Wissenschaft jetzt nicht per se als "Weise" bezeichnen und alle anderen als "Toren und Banausen" abqualifizieren, aber wenn man sich manche Entwicklung heutzutage so anschaut, dann kann einem in der Tat angst und bange werden (auch um die Demokratie, wie Sie das in Ihrem Schlußwort ja andeuten). Da fühlen sich etwa Laien dazu berufen, geologische Gutachten wie im Falle Stuttgart 21 ohne Fachkompetenz beurteilen zu wollen (was nicht bedeutet, daß man Ingenieuren blind vertrauen muß), und einer Partei, bei der kein Mensch bisher weiß, wofür sie eigentlich steht, fliegen die Herzen der Menschen und Medien zu, nur weil ihre Vertreter als erfrischend sympathisch empfunden werden und man offenbar den Sinn und die Vorteile einer repräsentativen Demokratie nicht (mehr) versteht.
All das hat es irgendwie schon immer gegeben, aber die neuen Möglichkeiten der Vernetzung und das Hinterherhinken der Ausbildung der erforderlichen Kompetenzen hinter der technischen Entwicklung stellen eine kaum einschätzbare Herausforderung dar. Durch Ihren Beitrag haben Sie hier klar von seiten der Wissenschaft Stellung bezogen. Wir brauchen in der Tat nicht mehr Wissenschaftler, die auf allen Kanälen bloggen und twittern und für eine permanente Netzpräsenz Ihre Forschung vernachlässigen. Aber wir brauchen Wissenschaftler, die sich im Netz auskennen, seine Vorteile selbst nutzen und diese Vorteile im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeiten in Forschung und Lehre weitervermitteln, um dann auch auf breiter Front Fehlentwicklungen gewissermaßen auf denselben Kanälen entgegenwirken zu können. Da liegt eine gewaltige Herausforderung noch vor uns, und wenn ich die Arbeitsweise und Verhaltensweise mancher meiner Studenten mit und im Netz so anschaue, dann haben wir den Teil einer Generation in puncto Medienkompetenz schon verloren.
Essenzielle Cookies
Diese Cookies sind unbedingt erforderlich, um Ihnen eine funktionsfähige, sichere und stabile Website zur Verfügung stellen zu können. Es werden keine personen-bezogenen Daten gespeichert.
Präferenzen
Hiermit willige ich in die Verwendung von Cookies ein, die meine Präferenzen speichern und den Seitenaufruf personalisieren.
Statistiken
Hiermit willige ich in die Verwendung von Cookies ein, die in anonymisierter Form mein Nutzungsverhalten analysieren.
Lieber Herr Cyron,
hier mit Sokrates zu kontern, geht leider völlig an der Sache vorbei, denn weder ich noch Frau Lorenz haben eine grundsätzliche Verdorbenheit der jüngeren Generation beklagt, und ich habe auch nicht den Untergang des Abendlandes ausgerufen. Für meine Begriffe kokettiert Frau Lorenz im übrigen auch eher mit dem Begriff Kulturpessimismus, denn tatsächlich geht es um den pragmatischen Umgang der Wissenschaft (wobei man natürlich immer nur für sich selbst sprechen kann) mit Phänomenen, die aufgrund jüngerer technischer Möglichkeiten zu beobachten sind und mit denen man sich irgendwie auseinandersetzen muss, zumal wenn man einen Lehrauftrag hat.
Es geht also nicht darum, etwa Wikipedia zu bekämpfen oder zu ignorieren, aber angesichts dessen was Wikipedia qualitativ bietet und welche Erfahrungen im Umgang mit Wikipedia beispielsweise bei Studenten zu beobachten sind, ist es schlichtweg unsere Aufgabe, dazu Stellung zu beziehen und sich zu überlegen, in welcher Weise man dieses Medium selbst nutzt oder eben auch nicht nutzt bzw. zu welchem Umgang mit diesem Medium man rät.
Mit Totschlagargumenten kommt man hier jedenfalls nicht weiter. Denn Ihrer Frage, warum die Menschheit solcher Unkenrufe zum Trotz bis heute existiert, könnte man, wenn man bösartig sein wollte, entgegenhalten, dass es sich dann auch nicht lohnt gegen den Klimawandel anzukämpfen, denn immerhin hat die Menschheit ja auch das Waldsterben der 1980er Jahre überlebt ....