Ich tendiere dazu, Münklers Kritik an der Anonymität der studierenden Blogger inhaltlich (weniger bezüglich der allzu scharfen Wortwahl) zu teilen.
Dass die Argumente der Bloggenden inhaltlich eher wenig Substanz zu haben scheinen (erst wird etwas behauptet und dann auf Münklers Entgegnung zurück gerudert) ist das eine. Vor allem aber ist doch zu beachten, dass es sich hier um Studierende der Sozial- und Politikwissenschaften (!) handelt und um den vergleichsweise geschützten Raum einer Universität. Im Gegensatz zu Bloggern beispielsweise im "Arabischen Frühling" müssen Studierende NICHT um ihr Leben fürchten, wenn sie abweichende Meinungen vertreten. Herr Prof. Münkler ist auch nicht der Arbeitgeber der Studierenden. Dass Studierende durch Kritik ihre "Karrierechancen" (= das bemerkenswerte Hauptargument der Blogger für die Anonymität gegenüber dem Tagesspiegel) gefährden würden, halte ich für eine reine Schutzbehauptung. Ich habe an der Universität gänzlich andere Erfahrungen gemacht, nämlich die, dass Lehrende Studierende mit Mut zur eigenen Meinung schätzen und zwar auch dann, wenn diese politisch andere Auffassungen vertreten. Es kam lediglich darauf an, nicht nur Meinungen kund zu tun, sondern die eigene Position auch begründen zu können.
Wenn Studierende dazu übergehen würden, innerhalb der Universität die braven und stillen Mäuschen zu sein und stattdessen die Kritik in einen anonymen außeruniversitären Raum verlagern, dann wäre das ein Warnsignal. Dann verfehlt die Universität ihren Auftrag, Studierende nicht nur fachlich, sondern auch charakterlich zu bilden und den offenen Austausch von Ideen und Argumenten zu befördern.
PS: Zugute halten kann man den Blogger_innen sicher, dass sie versuchen, die Grundlagen der Vermittlung von "Ideengeschichte" zu hinterfragen. Wenn ich aber daran denke, dass sich Studierende auf diese Art - Vermeidung offener Kommunikation und des transparenten Einstehens für die eigene Position und stattdessen anonyme und tendenziell denunziatorische Kritik im Web - auf ihre "Karriere" vorbereiten, dann würde ich mir diese Menschen später jedoch eher nicht als Kolleg_innen wünschen.
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Interessantes Interview! Innovativ finde ich den Ansatz, nachzuverfolgen, inwiefern Gewerkschaftsfunktionäre, die sich 1933 zunächst einmal "gleich schalteten" bzw. gleich schalten ließen, ihre Meinung im Laufe der nächsten Jahre änderten.
Wahrscheinlich lag der Fokus der Geschichtsschreibung tatsächlich auch zu lange auf der obersten Führungsebene und allein auf dem ADGB (bzw. in der DDR-Geschichtsschreibung auf der KPD), so dass Teile des gewerkschaftlichen Widerstands aus dem Blick gerieten. Ich frage mich, ob dazu nicht auch beitrug, dass das Gros der Gewerkschafter im Exil nach 1945 im Nachkriegsdeutschland nicht Fuß fassen und daher auch das Gedenken an ihre eigene Leistung kaum beeinflussen konnte. Ausgehend von den Publikationen der Landesgruppe schwedischer Gewerkschafter schien es mir, dass die Mehrheit der gewerkschaftlichen Exilanten 1945ff nicht nur deswegen frustriert war, weil sich ihre Pläne im Nachkriegsdeutschland u.a. aufgrund des Widerstands der Alliierten kaum umsetzen ließen. Vielmehr vor allem deswegen, weil sie bei den in Deutschland gebliebenen Genossen, die in der Zeit des NS völlig andere Erfahrungen gemacht hatten als die Exilanten, keinerlei Unterstützung oder auch nur Interesse fanden. Einige (wenige?!) nennenswerte Ausnahmen wie Fritz Tarnow bestätigen vielleicht diese Regel.
Interessant wäre darüber hinaus auch noch eine Einordnung in dern internationalen Kontext, wie z.B. mit dem Arbeiterwiderstand in Österreich.