Der Syrienkrieg ist in erster Linie eine unermessliche Tragödie für die betroffene Bevölkerung: Seit Jahren tobt in ihrem Land ein Krieg, der Tausende Opfer fordert, Einwohner zu Flüchtlingen macht und das Land verwüstet. Beobachter außerhalb Syriens nehmen den Konflikt als Bedrohung des Friedens wahr - auch für ihre Regionen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es selbst mit der nötigen Distanz kaum noch möglich erscheint, sich ein klares Bild von der Lage vor Ort zu machen. Was passiert in Syrien wirklich? Wer berichtet noch objektiv? Was sind Fakten und was Fehlwahrnehmungen, Falschdarstellungen und Propaganda? Diese Fragen richtete man in der Vergangenheit in der Regel an Länder, in denen die Medien von der Regierung kontrolliert werden. Doch längst müssen sich auch die Medien der westlichen Welt, die sich als unabhängig und frei begreifen, mit diesen Fragen auseinandersetzen. Wir haben den Kommunikationswissenschaftler und Soziologen Prof. Dr. Siegfried Weischenberg vom International Media Center (IMC) in Hamburg, der zur gegenwärtigen Medienwelt forscht, um ein Interview gebeten.
"Dieser Krieg ist auch ein Informationskrieg"
L.I.S.A.: Herr Professor Weischenberg, Sie haben zuletzt ein Buch mit dem Titel „Medienkrise und Medienkrieg“ geschrieben und fragen im Untertitel: „Brauchen wir überhaupt noch Journalismus?“ Bevor wir eine Antwort auf diese Frage hoffentlich finden werden, wenden wir uns zunächst der aktuellen weltpolitischen Lage zu, die uns von Medien aller Art vermittelt wird: der Syrienkonflikt. Wie erleben und beurteilen Sie die aktuelle Berichterstattung zum Syrienkonflikt? Fühlen Sie sich gut informiert?
Prof. Weischenberg: Die Berichterstattung zum Syrienkonflikt bietet ein anschauliches Beispiel für die Probleme und Grenzen, aber auch für die Notwendigkeit von Journalismus. Ich fühle mich über den Bürgerkrieg in Syrien – seit seinen Anfängen im Jahre 2011 – insofern nicht gut informiert, als die Medien nicht gut beschreiben und vor allem: erklären können, was hier passiert. Gerade bei der Kriegsberichterstattung ist der Journalismus traditionell in der Gefahr, sich instrumentalisieren zu lassen. In meinem Buch habe ich ausführlicher dargestellt, wie dies insbesondere beim Zweiten Golfkrieg ablief, und welch problematische Rolle der Nachrichtensender CNN dabei gespielt hat. Damals hatten die US-Militärs aus dem Vietnam-Krieg gelernt, wie man verhindert, dass sich die Medien ein eigenes Bild machen können, und wie man ausnutzt, dass sie irgendwie ‚dabei sein’ wollen, weil sie ständig liefern müssen. Das hat sich dann beim Krieg gegen Saddam Husseins angebliche ‚Massenvernichtungsmittel’ wiederholt. Die Journalisten waren damals vor allem eines: Patrioten.
Im Fall Syrien sind die Verhältnisse allein aufgrund der vielen verschiedenen Akteure völlig undurchschaubar geworden. Dieser Krieg ist deshalb auch ein Informationskrieg. Heutzutage kommt als Problem für die Medien hinzu: Durch gezielt eingesetzte ‚Social Propaganda’ wird, wie jetzt im Syrienkrieg, versucht, die Leute so zu verwirren, dass sie niemandem mehr glauben. Es dominiert der Zweifel – an allem und an jedem. Immerhin haben sich aktuell aber z.B. ‚Die Zeit’ und ‚Spiegel Online’ im Fall des Giftgas-Angriffs auf Duma große Mühe gegeben, die vorliegenden Informationen zu ordnen und nach allen Seiten hin zu prüfen, ohne vorschnelle Urteile zu fällen. Solche Leistungen unterscheiden Journalismus immer noch von der Filterblasen- und Echokammern-Kommunikation in den Sozialen Medien – und dafür brauchen wir ihn.
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Kommentar
In der DDR hatten wir früher zwei gegensätzliche Informationsquellen. Die offiziellen Staatsnachrichten und dann die Westsender. Aus dieser Gegensätzlichkeit hat man dann "seine" Wahrheit definiert. Das ist heute nur noch übers Internet möglich. Unsere Journalisten sind sowas von staatstragend, dass sie locker von Bundesregierung und NATO bezahlt werden könnten. Ich will Sie nicht provozieren und bin im Prinzip über Ihre Sachlichkeit begeistert, aber nochmal meine Frage : Stellen Sie wirklich verschiedenartige Informationen in denen von Ihnen genannten Medien fest ? Oder ist das eine Definitionsfrage ?
Viele Grüße aus dem Vogtland