Der spontane Umstieg der deutschen Universitäten auf einen rein online stattfinden Unterricht aufgrund der COVID-19-Pandemie stellte das Bildungswesen vor große Herausforderungen - die, so die Hochschulrektorenkonferenz, gut gemeistert wurden. Auch das Wintersemester 2020/2021 bleibt an den regulären Universitäten digital - einige Fachhochschulen und Technische Universitäten arbeiteten mit einem hybriden Modell, das häufig von Corona-Fällen unterbrochen und nun im zweiten "Lockdown Light" auf Online-Unterricht umgestellt wurde. Für Studierende hat dies einige Vorteile - wünschten sich doch 61 Prozent das Streaming von Vorlesungen und verstärkten Einsatz digitaler Medien. In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 wünschten sich 45 Prozent eine mögliche Teilnahme an Vorlesungen per Videotelefonie, 29 Prozent eine Uni-interne App und 28 Prozent die Nutzung von Instant-Messaging Diensten wie Slack oder Skype für die Kommunikation mit den Lehrenden[1]. Dies ist nun möglich geworden - jedoch unkoodinierter als sich das manche Studierende vermutlich vorgestellt hatten. Welche Schattenseiten bringt ein komplett digitales Studium mit sich? Und was bedeutet es für die Lehrenden? Können persönliche Beziehungen in der Forschungslandschaft durch digitale Tools aufrechterhalten werden? Denn zur gelungenen Digitalisierung gehört mehr als der Medienwechsel vom Buch zum PC. Eine "Kultur der Digitalität" meint die aus zunehmender Digitalisierung entstehenden gesellschaftlichen Veränderungen, geprägt durch Prozesse der Sozialität, Kommunikation, Interaktion, Kollaboration und Partizipation[2]. Gleichzeitig führt sie für das Leben auf dem Campus doch auch Nachteile mit sich - insbesondere in einer Ausnahmesituation wie dieser. Mit Prof. Dr. Kai Kauffmann und Dr. Matthias Buschmeier, Dozenten an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, und Mariana Arjona Soberón, Doktorandin an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Lehrauftrag an der Universität zu Köln, diskutierten wir im L.I.S.A.Chat didaktische digitale Möglichkeiten, Chancen und Hürden der Digitalisierung und das Wohlergehen von Studierenden und Lehrenden in dieser Zeit.
"Kein freiwilliger Wechsel zu digitalen Tools"
Reuter: Guten Morgen, Herr Professor Kauffmann, Herr Dr. Buschmeier und Frau Arjona Soberón.
Prof. Kauffmann: Guten Morgen!
Arjona Soberón: Guten Morgen!
Dr. Buschmeier: Guten Morgen, auch ich bin mit Kaffee versorgt - am Rechner.
Reuter: Dann sind wir vollzählig. Zum Einstieg: Sie sitzen in Bielefeld und Köln/München. Wie digital sind Ihre Universitäten? Was hat sich durch die Coronakrise grundlegend verändert? Welche Erfahrungen machen Sie als Dozierende mit der spontanen Digitalisierung der Lehre?
Arjona Soberón: Ich glaube, man kann sagen, dass Digitalität immer mehr an Bedeutung gewonnen hat in dieser Zeit. Etwas, das sich grundlegend verändert hat, ist die Bereitschaft, mit digitalen Tools zu arbeiten.
Dr. Buschmeier: Die Uni Bielefeld hat etliche digitale Angebote für die Lehre, aber auch die Prüfungsverwaltung, Raum- und Kursvergabe erfolgen digital. Es gibt überall sehr gutes W-Lan. Aber die Raumausstattung selbst ist irgendwann in den 2000ern stehengeblieben. Es gibt nur wenige digitale Interaktionsmöglichkeiten in den Seminarräumen, z.B. smarte Tafelflächen.
Prof. Kauffmann: Kommt darauf an, was man unter „digital“ versteht. Wir haben an der Universität Bielefeld bis zum WS 2019/20 natürlich überwiegend analog in Präsenz unterrichtet. Dann gab es eine Umstellung auf Distance Learning, mit vergleichsweise viel Support von zentraler Seite.
Arjona Soberón: Es ist natürlich kein freiwilliger Wechsel, was große Schwierigkeiten mit sich bringt. Viele Menschen, die vorher keinen Wert auf Digitalisierung gelegt haben oder sehr skeptisch digitalen Tools gegenüber waren, müssen sich jetzt damit auseinandersetzen.