Dr. David Bartosch war vor einigen Jahren noch Promotionsstipendiat der Gerda Henkel Stitung. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der Philosophiegeschichte Deutschlands und Chinas. Nach seiner Promotion zog es ihn nach Peking, wo er heute lebt und arbeitet. Bereits in einem früheren Beitrag hat uns David Bartosch seine Eindrücke aus China mitgeteilt. Dieses Mal haben wir ihn vor allem zu seiner aktuellen Tätigkeit und dem Wesen der chinesischen Universitätslandschaft befragt.
"Wang Yangming und Nicolaus Cusanus sind hervorragende Studienobjekte"
L.I.S.A.: Herr Dr. Bartosch, Sie arbeiten seit knapp einem Jahr als forschender Philosoph sowie als Lehrender an der Beijing Foreign Studies University in Peking. Was genau ist dort Ihr Forschungsgebiet? Womit befassen Sie sich zurzeit wissenschaftlich?
Dr. Bartosch: In Deutschland habe ich im Bereich Interkulturelle Philosophie promoviert. Mein Themenstellung war eine parallele und vergleichende Analyse der Kerngesichtspunkte der Philosophien des Wang Yangming (1472-1529) sowie des Nicolaus Cusanus (1401-1464). Wang Yangming ist einer der wichtigsten Philosophen der chinesischen Geschichte. Sein Denken ist u.a. für die ostasiatische Moderne seit dem Ende des 19. Jahrhunderts grundlegend. Nicolaus Cusanus gilt als wichtigster abendländischer Philosoph des 15. Jahrhunderts. Sein Denken erfährt ebenfalls seit dem 19. Jahrhundert eine internationale Renaissance im Fach Philosophie. Beiden Denkern ist gemeinsam, dass sie ihre jeweiligen vorhergehenden Traditionen sehr breit rezipiert haben und diese Einflüsse dennoch auch auf einen ganz eigenständigen, innovativen Grundzug hin komprimiert haben. In beiden Philosophien ist viel an vorhergehenden Traditionen aufgehoben, ohne ekklektizistisch zu erscheinen. Anhand dieses Fallbeispiels konnten wichtige Unterschiede und Gemeinsamkeiten der jeweiligen bewusstseinsgeschichtlichen Fundierungsebenen Europas und Chinas herausgearbeitet werden.
Die beiden Denkwege waren hervorragende Studienobjekte, die mich nach wie vor philosophisch inspirieren. Die Arbeit wurde dankenswerterweise von der Gerda-Henkel-Stiftung unterstützt. Da es sich bei meiner Arbeit weltweit um die erste umfangreichere komparative Studie zu Wang Yangming und einem anderen wichtigen westlichen Denker handelt, ist die chinesische Seite sehr an meinen Forschungen interessiert. Vor diesem Hintergrund forsche ich hier in China nun weiterhin zur interkulturellen Philosophie, vergleichend und zu kulturphilosophischen Fragestellungen, zu Fragen des kulturellen Austauschs. Zudem unterrichte ich europäische Philosophietradition von der Antike bis zum Deutschen Idealismus. Für mich ist es sehr interessant und horizonterweiternd, wie chinesische Studenten europäische Traditionen aufnehmen und verstehen. Wenn ich zudem Aspekte andererseits chinesischer Denktraditionen wie z.B. die Philosophie Wang Yangmings unterrichte, ist es für meine Studenten dann wiederum interessant zu erfahren, wie ich als Deutscher die chinesische Tradition betrachte.
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Koennen Sie bitte Kontakt mit mir aufnehmen? Ich spiele mit dem Gedanken 王阳明 zu uebersetzen und wuerde mich gern mit ihnen darueber unterhalten.
Ulrich Forderer
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China macht zumindest keinen Hehl daraus, dass es keine Demokratie ist und die Menschenrechte nicht so beachtet, wie dies der so "freie" Westen angeblich tut und es sich auch vorstellt. Und dies gilt genauso für die Forschung. Sehen Sie sich z.B. das Interview von Herrn Ganser in Sachen Achtsamkeit an: https://www.youtube.com/watch?v=WS1TGaANLMs . Darin äußert er sich dazu, dass kein Doktor Professor werden kann, der nicht NATO-hörig ist. Und das in der so "demokratischen!" Schweiz. Dazu ein entgegen gesetztes Beispiel: die Frau Marie-Janin Calic. Sie hat sämtliche NATO-hörigen Think tanks abgeklopft und besitzt nun eine Professoren- und Dekanstelle an der Universität in München samt sämtlicher Teilhabe an Zeitschriften, die die Region Südosteuropa betreffen. https://de.wikipedia.org/wiki/Marie-Janine_Calic
Dafür setzt China seine Schwerpunkte in Sachen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Unser dekadenter Westen hält etwas weniger davon, wenn man sich die Angriffe auf Staatsbedienstete, wie z.B. Polizei, Nothelfer usw. ansieht.
Ein freundlicher Gruß aus Düsseldorf
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Heiner Roetz
Geschiche und Philosophie Chinas
Ruhr-Universität Bochum