Im vergangenen Jahr brandete im Zusammenhang mit der Darstellung eines afrikanischen Menschen in einer Fernsehunterhaltungssendung eine Debatte rund um das sogenannte Blackface auf. In einem L.I.S.A.Interview haben wir die Diskussion damals aufgenommen. Auch die stereotype und orientalistische Darstellung von asiatischen Menschen hat in der Fernseh- und Filmbranche lange Tradition, vor allem das Yellowface - auch hier werden Menschen anderer Herkunft nicht von ihnen selbst dargestellt, sondern von "Weißen", die sich als vermeintlich typische Chinesen schminken und verkleiden. Der Historiker Dr. Björn A. Schmidt hat sich in seinem Dissertationsprojekt dem Yellowface und der Darstellung von chinesischen Migrantinnen und Migranten angenommen und US-Spielfilme nicht nur nach dem Umgang mit dieser Praxis untersucht, sondern darüber hinaus die daraus entstehenden gesamtgesellschaftlichen Diskurse über Identität und die Konstruktion von Andersheit herausgearbeitet. Wir haben ihm zu seinem Buch "Visualizing Orientalness. Chinese Immigration and Race in U.S. Motion Pictures, 1910s-1930s" unsere Fragen gestellt.
"Der Orientalismus war sowohl von Angst als auch Faszination geprägt"
L.I.S.A.: Herr Dr. Schmidt, Sie haben sich in ihrer Dissertation mit der Darstellung von chinesischen Immigrantinnen und Immigranten im US-Spielfilm der 1910er bis 1930er Jahre beschäftigt. Warum fiel ihre Wahl auf diese Einwanderungsgruppe? Welchen Stellenwert hat chinesische Immigration in der US-Geschichte?
Dr. Schmidt: Die chinesische Einwanderung nimmt eine gesonderte Stellung innerhalb der amerikanischen Immigrationsgeschichte ein, die ja meist aus europäischer Perspektive erzählt wird. Gleichzeitig lassen sich an ihr jedoch schon früh viele politische Entwicklungen aufzeigen, die dann im frühen 20. Jahrhundert auf andere Einwanderungsgruppen übertragen wurden. Die Migrationsbewegung aus China begann mit dem kalifornischen Goldrausch Mitte des 19. Jahrhunderts. Chinesische Einwanderer (die zunächst überwiegend männlich waren) galten als billige Arbeitskräfte und wurden beispielsweise in großer Zahl beim Bau der transkontinentalen Eisenbahn eingesetzt. Bei der weißen Arbeiterschaft stießen Chinesen früh auf rassistisches Ressentiment und es kam teilweise zu pogromartigen Übergriffen. Mit dem Chinese Exclusion Act wurde 1882 das erste Bundesgesetz erlassen, das eine bestimmte Gruppe aufgrund ihrer „Rasse“ von der Einwanderung in die USA ausschloss – ein wichtiger Wendepunkt in der US-Immigrationsgeschichte. Das Einwanderungsverbot wurde in den restriktiven 1920er Jahren auf ganz Asien ausgeweitet und bis nach dem Zweiten Weltkrieg aufrechterhalten.
Interessant an der Ablehnung gegenüber chinesischen Einwanderinnen und Einwanderern ist, dass sie auf politischer und kultureller Ebene mit dem extrem wirkmächtigen Diskurs des so genannten Yellow Perils, also der Vorstellung einer „gelben Gefahr“, einherging. Dieser Diskurs stellte China als Bedrohung für die westliche Welt dar und verstand Immigration als indirekte Form der Kolonisierung. Im Yellow Peril-Diskurs bündelten sich von Beginn an rassische und sexuelle Ängste – chinesische Menschen galten als fundamental anders und als der weißen „Rasse“ unterlegen. In Texten zur Einwanderungspolitik und beispielsweise auch in politischen Karikaturen, Comics, Pulp Novels und eben Spielfilmen finden sich stereotype Darstellungen von männlichen Chinesen als hinterhältige Gauner, passive Opiumsüchtige und als Gefahr für die Tugend weißer, anglo-amerikanischer Frauen. Die Personifizierung des Yellow Perils schlechthin ist die Figur des Superbösewichts Dr. Fu Manchu, die in 1910er Jahren erstmals in den Romanen von Sax Rohmer und später in zahlreichen Verfilmungen auftritt.
Auf der anderen Seite findet sich im frühen Film und im späteren Spielfilm neben diesen extremen Rassismen auch eine ständige Faszination mit dem „fernen Osten“. Dieser wurde teilweise zum Sehnsuchtsort und Projektionsfläche für romantische Vorstellungen der Vormoderne und damit als klassisches Gegenbild zum aufgeklärten und industrialisierten Westen dargestellt. Der damalige amerikanische Orientalismus war, ähnlich dem europäischen, sowohl von Angst als auch von Faszination geprägt. Beides trug zum „Othering“ chinesischer Menschen bei.
Diese Gemengelage fand ich erstaunlich und ich wollte ihr im damals relativ neuen Medium Film nachgehen. Da die chinesische Exklusion und auch der Yellow Peril Diskurs zu einer Zeit wirkmächtig waren, in der visuelle Medien, insbesondere der Spielfilm, zur wichtigsten Unterhaltungsform wurden, wollte ich untersuchen, wie Filme die Präsenz „des Anderen“ innerhalb der USA thematisierten.