L.I.S.A.: Trotz des Einreiseverbots gelang es vielen Chinesinnen und Chinesen, über Umwege oder illegal einzureisen. Sie widmen sich dem Themenfeld der US-mexikanischen Grenze. Wie wird die illegale Immigration filmisch verhandelt? Welche Rolle spielt die Grenze?
Dr. Schmidt: Es gibt erstaunlich viele Filme aus der Zeit, die das Thema illegale Einwanderung von Chinesen direkt oder indirekt behandeln. Ich zeige in meiner Arbeit zunächst, dass die Herausbildung des modernen amerikanischen Grenzregimes unmittelbar mit der chinesischen Exklusion zusammenhängt. Die Grenzen der USA und insbesondere die Grenze zu Mexiko erlangten erstmalig durch die Notwendigkeit ihrer Schließung für chinesische Menschen ihre enorme politische und kulturelle Prominenz im amerikanischen Bewusstsein. Die Grenze, die nach der südlichen Erweiterung der USA infolge des Siegs über Mexiko 1848 lediglich eine „Linie im Sand“ war und zum Großteil nur mit ein paar Grenzsteinen markiert wurde, war wenige Jahrzehnte später ein streng kontrollierter, befestigter und verteidigter Raum. Die Ausgrenzung von Chinesen ging einher mit der erstmaligen Einführung von Kontrolltechniken, Grenzpatrouillen, eines bürokratischen Apparats und der Errichtung von Zäunen und Grenzposten. Als erste Gruppe überhaupt, waren chinesische Menschen verpflichtet, fotografische Identifikationsnachweise und spezielle Visa mit sich zu führen. Visuelle Medien wie die Fotografie halfen dabei, die Grenze als geographische und auch als gesellschaftliche bzw. „rassische“ Trennlinie zu bebildern. Und Filme, so argumentiere ich, waren ein wesentlicher Bestandteil in der Konstruktion dieses "Außen".
Wichtig ist hier zum einen, dass über die Exklusion von Immigrantinnen und Immigranten Identität hergestellt wurde. Über den Ausschluss bestimmter Gruppen aufgrund ihrer vermeintlichen rassischen Andersheit definiert sich immer auch eine weiße amerikanische Identität im Innern. Interessant wird es dadurch, dass sich besonders das Genre des Westerns der illegalen Einwanderung widmete. Hier war es dann der berittene, weiße und maskuline Cowboy, der die Nation vor den als Eindringlinge markierten Chinesen bewahrte, die auf vielfältige Weise versuchten, über die Grenze zu kommen. Die Aufwertung des Grenzbeamten als Ausdruck ur-amerikanischer Männlichkeit nahm in vielen Filmen die Glorifizierung der 1924 gegründeten Border Patrol voraus und schrieb diese fort. Chinesische Menschen, so zeigten die Filme, versuchten auf vielfältigste Weise, ins Land zu kommen – versteckt in Fässern, Kutschen oder Flugzeugen oder beispielsweise auch als weiße Frauen verkleidet. Die Grenze wurde dem Kinopublikum so als Kampfschauplatz dargestellt, der der ständigen Verteidigung gegen chinesische Menschen und damit vermeintlich „rassisch“ fremden Migranten bedurfte. Lange Zeit war der Begriff „illegale Einwanderer“ aufs Engste mit chinesischer Immigration verknüpft.
Zum anderen bedeutete diese Stigmatisierung chinesischer Menschen auch, dass bereits in den USA lebende Chinesinnen und Chinesen stets als potentiell illegal Eingereiste wahrgenommen wurden. Die Grenze, so argumentiere ich in Anlehnung an Mae M. Ngai, war daher nicht nur eine territoriale, sondern vollzog sich innerhalb der USA auch entlang „rassischer“ Linien. In der damaligen Berichterstattung in den Zeitungen wurde auch innerhalb des Landes zur Vorsicht vor illegalen Einwanderinnen und Einwanderern geraten. Entsprechend behandelte eine Reihe von Filmen diese Suche nach den „Feinden im Innern“. Hier waren es dann meist mutige Reporter oder Detektive, die versuchten, sogenannten „Schmugglerbanden“ auf die Spur zu kommen, die chinesische Menschen in die urbanen Zentren brachten. Diese Filme richteten ihren Blick – und damit auch den Blick des Publikums – auf die Möglichkeit der Unterwanderung der Gesellschaft im Innern und trugen zur Identifikation von allen Chinesinnen und Chinesen als illegale Subjekte bei.