Carl Schmitt gehört zu den umstrittensten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Die Wahrnehmung seines Denkens oszilliert zwischen den Extremen "Kronjurist des Nationalsozialismus" bis hin zu der Einschätzung des französischen Philosophen Alexandre Kojève von 1967, Schmitt sei der einzige in Deutschland, "mit dem zu reden sich lohnt". Und tatsächlich gehen die Meinungen über Carl Schmitt bis heute weit auseinander. Eine der vielen Kontroversen entzündet sich nicht zuletzt an der Frage, ob Schmitts Denken kohärent und genealogisch sei oder einfach nur selektiv und inkonsistent. Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Philip Manow von der Universität Bremen hat diese offene Frage zum Anlass genommen, Schmitts Schriften von den 1910er Jahren bis in die 1950er als aufeinander aufbauende Abfolge zu lesen: vom Recht (Nehmem) über das Politische (Teilen) bis hin zum Ökonomischen (Weiden). Wie das zu verstehen ist, dazu haben wir ihm unsere Fragen gestellt.
"Mich hat dieser Autor nie wieder losgelassen"
L.I.S.A.: Herr Professor Manow, Sie haben jüngst eine neue Monographie veröffentlicht, in der Sie sich mit dem Staatsrechtler und Philosophen Carl Schmitt auseinandersetzen: Nehmen, Teilen, Weiden: Carl Schmitts politische Ökonomien, so der Titel des Buches. Bevor wir hier zu einigen Einzelheiten kommen: Was hat Sie bewogen, sich mit Carl Schmitt zu beschäftigen, der bis heute umstritten ist und nach wie vor polarisiert? Welche Vorüberlegungen haben Sie geleitet?
Prof. Manow: Die Beschäftigung mit Schmitt folgte keiner Entscheidung – wenn man das mal so ironisch formulieren darf bei dem großen Theoretiker der politischen Entscheidung, Schmitt. Ich bin da ‚hineingezogen‘ worden. 2011 hatte ich ein Buch über Hobbes Leviathan und De Cive veröffentlicht, und in dem Zusammenhang kam ich an den Hobbes-Studien von Schmitt, und auch an einem Buch wie ‚Der Nomos der Erde‘, das die Landnahme europäischer Mächte in Übersee behandelt, die bei Hobbes auch eine ganz zentrale Rolle spielt, nicht vorbei. Und dann hat mich dieser Autor nie wieder losgelassen. Bevor man dann angesichts einer nahezu unübschaubaren Sekundärliteratur sich trauen kann, mit etwas hervorzutreten, was mit dem Anspruch verbunden ist, so bislang noch nicht zu diesem Autor gedacht und geschrieben worden zu sein, dauert es dann eine gewisse Zeit.