„Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria ist ein „Eiserner Vorhang“ über Europa gefallen“ – so beschrieb Winston Churchill 1946 die entstehende Blockbildung im Zuge des heraufziehenden Kalten Krieges. Die Teilung des Kontinents manifestierte sich schon bald vielerorts in Grenzbefestigungen und kilometerbreiten Sperrzonen, die entlang der Demarkationslinie entstanden. Eine homogene Grenze bildete der „Eiserne Vorhang“ aber nie; bereits früh bildeten sich differenzierte Wahrnehmungen der einzelnen Grenzabschnitte heraus. Der Historiker Dr. Markus Alexander Meinke hat in seiner jüngst erschienenen Dissertation zwei Abschnitte des „Eisernen Vorhangs“ miteinander verglichen: die Bayern betreffende innerdeutsche Grenze und die deutsch-tschechoslowakische Grenze. Im Interview mit L.I.S.A. spricht er über Herangehensweise und Ergebnisse seiner Untersuchung.
"Beschränkung auf den Grenzbereich zu Bayern"
L.I.S.A.: Herr Dr. Meinke, Sie haben sich in Ihrer Dissertation mit den Bayern betreffenden Abschnitten des „Eisernen Vorhangs“ beschäftigt und dabei einen komparativen Ansatz gewählt. Mit den Mitteln des Vergleichs analysieren Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des tschechoslowakischen und des DDR-Grenzregimes. Was hat Sie an der Fragestellung gereizt und welche Überlegungen gingen diesem Ansatz voraus?
Dr. Meinke: Bei den Recherchen für meine Dissertation bin ich sowohl in zeitgenössischer Literatur als auch bei Gesprächen mit Zeitzeugen wiederholt auf den Aspekt einer „Andersartigkeit“ der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze im Verhältnis zur innerdeutschen Grenze gestoßen. Kann aber eine Grenze, die Teil eines Systems von umfangreichen Sperren war und Europa fast 45 Jahre lang in zwei Blöcke geteilt hat, im Verhältnis tatsächlich anders sein? Und welche Faktoren haben dazu geführt, dass sich dieses Narrativ selbst mehr als 30 Jahre nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ noch erhalten hat? Es wäre einfach gewesen, diese Unterschiedlichkeit aus einer Überrepräsentanz beziehungsweise Überdeterminierung der deutschen Teilung abzuleiten. Doch es hat sich schnell gezeigt, dass die Hintergründe für diese Differenzierung vielschichtiger waren und bis auf die Ebene der direkten sozialen Interaktion an der Grenze herabreichten. Um dabei eine relative Vergleichbarkeit beider Grenzen zu gewährleisten und Aspekte wie beispielsweise die bis in die 1980er Jahre umstrittene Elbgrenze oder die Sondersituation im geteilten Berlin auszuklammern, habe ich mich bewusst für eine räumliche Beschränkung auf den Grenzbereich zu Bayern entschieden.