Kriegführende Staaten stehen vor dem Problem, wie sie mit Angehörigen von Feindstaaten im eigenen Herrschaftsbereich umgehen sollen. Welche Gefahr geht von "feindlichen Ausländern" für die innere Sicherheit aus, welche Sicherheitsmaßnahmen werden erhoben, wie viel Freiheit wird noch gewährt? In der Geschichte findet man zahlreiche Fällen, in denen Feindstaatenangehörige als innerer Feind markiert oder gar in Lager gesteckt wurden - auch in demokratisch verfassten Staaten. So hatten beispielsweise die USA im Zweiten Weltkrieg bis zu 120.000 japanischstämmige US-Bürger zwangsumsiedeln und internieren lassen. Ein typischer Fall? Der Historiker Prof. Dr. Arnd Bauerkämper von der Freien Universität Berlin hat den Umgang mit Feindstaatenangehörigen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg intensiv erforscht und seine Ergebnisse zuletzt in zwei Bänden publiziert. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Es dominierte ein teilweise extremes Sicherheitsdenken"
L.I.S.A.: Herr Professor Bauerkämper, Sie haben jüngst Ihr neuestes Werk in zwei Bänden vorgelegt. Es geht dabei, wie der Titel schon sagt, um Sicherheit und Humanität im Ersten sowie im Zweiten Weltkrieg. Dabei geht es konkret um den Umgang mit zivilen Feindstaatenangehörigen im Ausnahmezustand. Bevor wir zu einigen Einzelheiten kommen, woher stammt Ihr Interesse an diesem Thema? Welche Vorüberlegungen gingen dieser Forschungsarbeit voraus?
Prof. Bauerkämper: Die Idee entstand unter dem Eindruck der Kontroversen über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Ich habe mich dann intensiv mit den beiden Weltkriegen in den Erinnerungskulturen europäischer Staaten befasst und dazu 2012 auch ein Buch veröffentlicht (Das umstrittene Gedächtnis. Die Erinnerung an Nationalsozialismus, Faschismus und Krieg in Europa seit 1945). Dabei fiel mir auf, dass vor dem Aufstieg der Menschenrechte zu einer wichtigen Kategorie in der politischen, gesellschaftlichen und juristischen Diskussion oft von Geboten der Humanität gesprochen wurde. Zugleich wurde mir bei der Vorbereitung eines Vortrages, den ich 2014 an der Universität Zürich hielt, klar, dass zivilgesellschaftliche Strukturen und Normen im Ersten Weltkrieg zwar schwer beschädigt wurden, aber keineswegs vollständig verschwanden. Vielmehr traten humanitäre Aktivisten und gelegentlich auch Politiker, Diplomaten und Beamte für die Rechte von Kriegsopfern ein. Jedoch dominierte letztlich ein teilweise extremes Sicherheitsdenken, dass zur Unterdrückung „innerer Feinde“ (darunter auch eigener Staatsbürger) führte. Diese Befunde und Einsichten sind dann in das Buch eingeflossen, dessen Niederschrift ich 2017/18 während der mir von der Gerda Henkel Stiftung verliehenen Gastprofessur am Deutschen Historischen Institut London und an der London School of Economics kräftig vorantreiben konnte.