Das Interview mit Michael Lüders haben wir vor den aktuellen Anschlägen von Paris geführt. Anlass dafür war für uns sein bereits im März erschienenes Buch "Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet". Interessiert hat uns dabei die schon im Titel des Buches unverblümt behauptete Kausalität zwischen westlicher Politik im sogenannten Orient und den neuen Formen von Terrorismus, die jetzt jüngst in Paris ein neues erschreckendes Ausmaß angenommen haben. Wir wollten von ihm wissen, warum er dieses Buch geschrieben hat, welche Kernfrage ihn leitete und auf welche Resonanz das Buch bisher gestoßen ist.
"Selbstkritik ist dringend erforderlich"
L.I.S.A.: Herr Lüders, Sie haben das Buch „Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet“ geschrieben. Wie würden Sie in wenigen Sätzen die Hauptthese Ihres Buch zusammenfassen? Was möchten Sie nachweisen?
Lüders: Es geht mir darum, die große Kluft aufzuzeigen zwischen dem Freiheitsversprechens des Westens einerseits und der Realität seiner Machtpolitik andererseits. Wir mögen uns für die "Guten" halten, weil westliche Politik vermeintlich für Demokratie und Gerechtigkeit steht. In Wirklichkeit aber haben die Militärinterventionen namentlich der USA und Großbritanniens seit dem 2. Weltkrieg und deren Politik des "regime change" Diktatoren hofiert oder an die Macht verholfen - mit verheerenden Folgen für die Menschen (nicht nur) im Nahen und Mittleren Osten. Diesen Zusammenhang ins Bewusstsein zu rufen sind wir ihnen und uns schuldig.
L.I.S.A.: Was hat Sie zu diesem Buch veranlasst? Wie ist dabei das Zitat, das Sie dem Buch voranstellen: „Wenn alle dasselbe denken, werde ich misstrauisch“, zu verstehen? Was denken oder dachten alle, was Sie hat misstrauisch werden lassen?
Lüders: Ich misstraue grundsätzlich dem politischen Mainstream-Denken, das die Welt in "gut" und "böse" unterteilt, wobei wir im Westen uns, wie erwähnt, zu den Guten rechnen. Selbstkritik ist dringend erforderlich, weil wir in einer zunehmend komplexeren Welt im dauerhaften Krisenmodus leben und dieses Denken in Sackgassen führt. Gerade weil ich das Freiheitsversprechen des Westens ernst nehme, erscheint es mir dringend erforderlich, es tatsächlich auch einzulösen - jenseits von bloßer Rhetorik.
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