Der Streit ist nicht neu, aber nach wie vor aktuell und brisant, und entzündet sich im Wesentlichen an folgenden Fragen: Wem gehören die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort)? Nur den Urhebern, also den Autoren? Oder haben auch Verlage, die Autoren erst eine Publikationsplattform bieten, ein Anrecht auf einen Anteil? Der Bundesgerichtshof hat im April 2016 zum Verlegeranteil an den Ausschüttungen der VG Wort geurteilt, dass eine Verwertungsgesellschaft "die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche ausschließlich an die Inhaber" verteilen müsse. Buchverlage könnten demzufolge keine Urheberrechte in die VG Wort einbringen, ihre pauschale Beteiligung sei nicht gerechtfertigt. Damit war die jahrzehntelange Praxis der VG Wort für unrechtmäßig befunden, jährlich bis zu dreißig Millionen Euro an Verlage auszuschütten. Im Dezember 2016 hat der Gesetzgeber nun Änderungen beschlossen, die eine Weiterführung der zwischen Autoren und Verlagen geteilten VG-Wort-Ausschüttungen ermöglichen soll, wenn Autoren gegenüber der VG Wort zustimmen, Verlage an den ihnen zustehenden Einnahmen zu beteiligen. Das versuchen viele Verlage inzwischen mit Briefen an ihre Autoren zu erreichen. Zu Recht? Zu dieser Frage haben wir die Historiker Prof. Dr. Marko Demantowsky (Twitter: @mdemanto) und Matthias Krämer (Twitter: @Kraemer_HB) zu einem Streitgespräch gebeten.
"Ich bin sehr geneigt, diesen Partnern den ihnen zustehenden Obolus zu entrichten"
Demantowsky: Grundsätzlich habe ich viel Verständnis für die im Fachgebiet Geschichte relevanten Wissenschaftsverlage im deutschsprachigen Raum, soweit ich sie kenne. Man beachte die Einschränkung. Bisher habe ich viel mit kleineren Wissenschaftsverlagen zusammengearbeitet, aber auch mit größeren wie Vandenhoeck&Ruprecht oder De Gruyter Oldenbourg (München). Die Erfahrungen waren für mich grundsätzlich, sagen wir: okay, und sogar sehr gut mit dem projektverlag (Bochum/Freiburg Br.) und mit Oldenbourg. Grundsätzlich okay heißt: Mir war klar, worin die spezifische Leistung dieser Verlage für meine Schriften bestand, nämlich in der ansehnlichen Gestaltung und Produktion, im professionellen Marketing und im Vertrieb. Sehr gut heißt: Hier konnte ich zusammen mit den Verlegern und leitenden Angestellten Projekte von einem sehr zeitigen Stadium an gemeinsam entwickeln, diese Projekte wären also ohne das Zutun dieser sehr anregenden und klugen Menschen nicht in dieser Form zustande gekommen.
Ich glaube, mit den genannten Wissenschaftsverlagen ist es ein bisschen so wie üblicherweise mit der Schule: Sobald man letztere abgeschlossen hat, erscheint sie einem bestenfalls überflüssig - man weiß ja eigentlich alles! Fremdes positives Zutun zur eigenen Persönlichkeit wird internalisiert (sich selbst zugeschrieben), eigene Probleme, Fehlleistungen und vor allem spezifische Aufwände werden externalisiert (anderen zugeschrieben). Also freut man sich bei der Veröffentlichung für den Moment über den professionellen Druck der eigenen Schrift, ihre Präsenz in wichtigen Katalogen, auf Kongressen, im Netz, ihre Referenzierung in den großen Datenbanken, ihre Teilhabe am Renommee einer wichtigen Reihe etc., sieht aber im Nachhinein vor allem den Druckkostenzuschuss, den man an den Verlag zu zahlen hatte.
Kurz, ich glaube, die deutschsprachige Wissenschaftslandschaft, soweit ich sie kenne, wäre ärmer ohne diese Wissenschaftsverlage. Insofern bin ich sehr geneigt, diesen Partnern den ihnen zustehenden Obolus zu entrichten. Zu diesem Obolus wurde bis vor kurzem stillschweigend auch die Hälfte der VG-Wort-Ausschüttungen gezählt. Ich sehe keinen Grund, dies jetzt in Frage zu stellen, wenn der Preis für die paar Euro wäre, dass das vielfältige, klein- und mittelständische Verlagswesen in Deutschland, Österreich und der Schweiz dafür zur Disposition gestellt werden müsste.
Ich weiß natürlich auch von dem absurden Geschäftsgebaren, das große internationale Super-Wissenschaftsverlage wie - Namen dürfen als bekannt vorausgesetzt werden - gegenüber den Bibliotheken und KollegInnen anderer Disziplinen an den Tag legen. Diese Praktiken sollten resolut bekämpft werden. Für mich fängt Reflexion allerdings mit Differenzierung an, und ich mag meine oben genannten Verlagspartner nicht mit Elsevier & Co. in einen Topf werfen.
Gleichwohl verspüre ich einen gewissen Unmut über den schieren Aufwand, der mir als Autor aufgenötigt wird, wenn ich jetzt mit jedem einzelnen meiner Verlage der letzten zwanzig Jahre in einen entsprechenden Kontakt treten sollte. Unterm Strich verlöre ich mindestens einen ganzen Arbeitstag für Bürokratie, und das ärgert mich.
Krämer: Ich finde in den Erläuterungen Deiner Position ein paar meiner Annahmen über verbreitete Einstellungen von WissenschaftlerInnen wieder. Weil Du die explizit machst, können wir darüber leichter kritisch diskutieren. Ich glaube gar nicht, dass die von dir beschriebene Ignoranz gegenüber Verlagsleistungen so verbreitet ist. Deshalb setzen die Verlage ja nun auf die Bereitschaft von WissenschaftlerInnen, auf einen Teil ihrer Ansprüche auf VG-Wort-Ausschüttungen zu verzichten.
Aber zunächst zu deiner Schulmetapher, mit der es sich meiner Ansicht nach eher so verhält: Im Rückblick empfinden viele das schulische Lernen eigentlich als ganz gelungen. Vor allem Bildungsbürger haben es ja schließlich geschafft, aus der Schule das mitzunehmen, was sie für einen interessanten Beruf mit einigem gesellschaftlichen Ansehen brauchen. Erfolgsmodell Schule, aber die heutige Jugend bekommt ja leider nicht mehr die umfassende Bildung, die wir noch aufsogen wie unsere Schreibfedern die Tinte. Die Institution der Schule muss also zu alter Größe zurückgeführt oder zumindest vor dem drohenden Untergang bewahrt werden. Denn ohne die anregenden und klugen Lehrkräfte wäre aus uns nicht das geworden, was wir heute sind.
Ich finde es naheliegend, dass unter Bildungsbürgern eine so positive emotionale Bindung zu ihrer Schule wie zu ihrem Verlag verbreitet ist. Die Institution wird dazu mit einem Erfolgserlebnis (Publikation oder Abschlussprüfung) verknüpft, und die gelungene Zusammenarbeit mit freundlichen, anregenden Menschen schreibt man der Institution als Leistung zu. Dabei hätte es gelingende Kooperation mit tollen Menschen auch in anderen institutionellen Formen geben können, schließlich waren die Menschen bloß die Beschäftigten der Institution. Ich habe, glaube ich, wiederholt als freundlicher, anregender Mensch an der Entstehung von Publikationen mitgewirkt, ohne dass ein Verlag damit zu tun hatte. Daher glaube ich, dass man zwischen Menschen, die an einem Projekt mitarbeiten, und Institutionen, bei denen diese Menschen beschäftigt sind, unterscheiden sollte.
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[HA!1!! Daran sieht man eben, dass sie keinen akademischen Grad hat. Wir haben es gleich geahnt.]
Schade.
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