Sporthelden gab es schon immer. Bereits in der Antike verehrten die Menschen beispielsweise Olympioniken oder Wagenlenker. Sportheroen standen allerdings Seite an Seite mit anderen Typen von Heldentum, insbesondere dem Kriegshelden. Weil letztere Figur aus unseren Gesellschaften inzwischen weitgehend verschwunden ist, wird heute in der Regel vom postheroischen Zeitalter gesprochen. Der Soziologe Prof. Dr. Karl-Heinrich Bette von der Technischen Universität Darmstadt hat Zweifel an dieser Diagnose, übersieht sie doch ein heute gewichtiges gesellschaftliches Feld, auf dem nach wie vor regelmäßig Helden und Heldinnen produziert werden: den Sport. Hier entscheiden immer noch außergewöhnliche körperliche und geistige Fähigkeiten wie beispielsweise Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit oder auch Mut, Geschicklichkeit und Cleverness in Wettkämpfen über Sieg und Niederlage. Siegern winken Ehre und Ruhm, Verlierern immerhin Respekt und Tragik. Wir haben Prof. Bette dazu unsere Fragen gestellt.
"Weltweit zu beobachtende Heldenverehrung von Athleten und Athletinnen"
L.I.S.A.: Herr Professor Bette, Sie haben zuletzt ein Buch mit dem Titel „Sporthelden. Spitzensport in postheroischen Zeiten“ veröffentlicht. Welche Gegenwartsbeobachtungen und Vorüberlegungen gingen Ihrer Untersuchung voraus?
Prof. Bette: Ausgangspunkt meiner Analyse war die leicht verifizierbare Tatsache, dass Sportler, wenn sie in Wettkämpfen über sich hinauswachsen und Beobachter ihre Leistungen als außeralltäglich und bewunderungswürdig beglaubigt haben, in der Öffentlichkeit explizit und regelmäßig als „Helden“ bezeichnet und als solche enthusiastisch verehrt, prämiert und in Sprachspielen gefeiert, nach Minderleistungen oder Entgleisungen bisweilen aber auch persifliert und ironisiert werden. Angesichts der monopolähnlichen Verwendung der Heldenrhetorik zugunsten des Spitzensports und der weltweit zu beobachtenden Heldenverehrung von Athleten und Athletinnen war es bemerkenswert, dass die Hauptprotagonisten dieses Sozialbereichs in der gegenwärtigen Rede von der Heraufkunft einer postheroischen Gesellschaft schlichtweg nicht vorkamen. Mein Motto hieß deswegen: Wer über die Gegenwartsgesellschaft komplexitätsangemessen reden will, darf über den Spitzensport und dessen Heldeninszenierungen nicht schweigen. Infolgedessen galt es die sozialen Bedingungen zu durchleuchten, die Personen und Personenkollektive in postheroischen Zeiten als Helden ausweisen, und die Akteure anzusprechen, die an der Heldenproduktion, -verehrung, -beglaubigung und -nutzung beteiligt sind.