Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten, kurz Napola oder auch NPEA, waren die Eliteschulen des Nationalsozialismus. Hier sollten die sogenannten Jungmannen zu treuen und tüchtigen Nationalsozialisten, die für höhere Aufgaben bestimmt waren, erzogen werden. Dabei spielte die körperliche Ertüchtigung eine entscheidende Rolle. Die Historikerin Dr. Helen Roche von der University of Cambridge forscht über die Geschichte der Napolas und hat für den Band "Sport und Nationalsozialismus" untersucht, welche Bedeutung die Sporterziehung in diese Eliteanstalten hatte und wie sie sich von anderen Schulen unterschied. Wir haben ihr dazu unsere Fragen gestellt.
"Die Ideale einer sportlichen nationalsozialistischen 'Totalerziehung' verwirklicht"
L.I.S.A.: Frau Dr. Roche, Sie haben im Band „Sport und Nationalsozialismus“, herausgegeben von Prof. Dr. Frank Becker und Dr. Ralf Schäfer, eine Spezialstudie über körperliche Ertüchtigung in den Nationalpolitischen Erziehungsanstalten des Nationalsozialismus publiziert. Bevor wir zu Einzelheiten kommen, was ist die leitende Fragestellung bzw. die zentrale These Ihrer Studie?
Dr. Roche: Eigentlich beleuchtet dieser Aufsatz einen speziellen Aspekt eines viel größeren Forschungsvorhabens, das ich momentan abschließe, nämlich eine umfassende Geschichte der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten im Allgemeinen - The Third Reich’s Elite Schools: A History of the Napolas (i.E. bei Oxford University Press). Ich bin der Meinung, dass diese Fallstudie einen sehr wichtigen Ansatz für die historiographische Behandlung dieser Institutionen und ihrer Bildungspolitik im Ganzen bieten kann. Auch wenn die Kohärenz des Curriculums dieser Schulen in der bisherigen Forschung durchweg in Abrede gestellt wurde, könnte man behaupten, dass sich hier ein wesentlicher Unterschied zum Ausbildungsprogramm der zivilen Schulen und der HJ zeigte, der den Napolas zweifellos zum Vorteil gereichte. Das zeigt sich nicht nur im Bereich der Leibeserziehung und sportlichen Ausbildung, sondern auch in anderen Bildungssphären. Meines Erachtens ist dieses ein wichtiger Befund, auch wenn das Endziel dieser Erziehung zum politischen Fanatismus und Soldatentod führen sollte.
Vor diesem Hintergrund vertrete ich in meinem Aufsatz die These, dass sich Theorie und Praxis im Bildungssystem des Dritten Reichs nirgends so stark angenähert haben wie in der Leibeserziehung der NPEA. In diesen Eliteschulen wurden – wenngleich in einem zahlenmäßig kleinen Maßstab – die Ideale einer sportlichen nationalsozialistischen „Totalerziehung“ in einer Weise verwirklicht, an die weder die zivilen weiterführenden Schulen noch die Hitlerjugend (HJ) ganz heranreichten. Im Gegenteil konnten die Napolas die sport- und leibeserzieherischen Elemente der HJ und der höheren Schulen unbehelligt von den Gegensätzen und Spannungen aufgreifen und überbieten, die das angespannte Verhältnis zwischen diesen beiden Institutionen sonst kennzeichneten.