L.I.S.A.: Welche Sportarten hatten in den Nationalpolitischen Erziehungsanstalten Priorität? Wozu sollten diese Sportarten nach der Schullaufbahn ihre Absolventen befähigen?
Dr. Roche: Neben Mannschaftsspielen – Fußball, Handball, usw. – standen Turnen, Leichtathletik und Schwimmen im Vordergrund. Hoch im Kurs stand allerdings auch das Geräteturnen „wegen seiner deutschen Eigenart und der besonderen Erziehungswerte, die uns hier vorzüglich begegnen, wie Beherrschung des eigenen Körpers, Haltung, Geschicklichkeit und Mut.“ Hier ging es aber den Lehrern vor allem darum, das Interesse gerade der jüngsten Schüler zu wecken, indem diese Geräte primär als Vorbereitung auf die natürlichen Hindernisse bei Geländesport genutzt wurden – oder die Konkurrenz zwischen den „Jungmannen“ durch Schnelligkeits- und Ausdauertests angeheizt wurde.
Im allgemeinen zielte die Leibeserziehung in den NPEA ebenso wie nahezu die gesamte nationalsozialistische Sporterziehung darauf, die jungen Menschen auf Zähigkeit und Ausdauer zu trimmen und so auf den Krieg vorzubereiten. In allen Quellen wird hervorgehoben, wie wichtig Härte, Mut, Zähigkeit, Kampfbereitschaft usw. waren. Daher wurden die Napolas besonders privilegiert, damit sie eine umfassende vormilitärische Ausbildung anbieten konnten. In einer Reihe von Anstalten wie zum Beispiel in Köslin und Plön wurden sogar Flieger- und Marinezüge eingerichtet, um in einem Schnellprogramm zukünftige Offiziere für die Luftwaffe und Reichsmarine auszubilden, und man entsandte Schülergruppen zu Kursen, die von Wehrmacht- oder Marineoffizieren geleitet wurden. Alljährlich veranstalteten die NPEA militärähnliche Manöver mit Massengeländespielen mit ca. 2000 bis 3000 Jungmannen – oft unter den Augen der höchsten Würdenträger des Landes wie Himmler, Rust und verschiedener Angehörigen des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW). In kleinerem Maßstab war auch der Geländedienst (einschließlich der Nachtübungen), der an einigen Schulen in jeder Woche auf dem Programm stand, eine effektive Form der vormilitärischen Ausbildung; zugleich diente er dem Erwerb des SA-Wehrabzeichens.
In der Unterstufe diente der Geländesport vor allem dazu, sich die jugendliche Begeisterung der Jungen für alles Abenteuerliche zunutze zu machen und ihnen beizubringen, wie man unbeobachtet jemanden ausspäht, wie man die Geländegegebenheiten und das Unterholz nutzt, um unerkannt den Feind zu umgehen. Es wurden Aufgaben gestellt wie die Eroberung des gegnerischen Lagers oder „Munitionsdepots“. Dabei trug jeder Junge am Handgelenk einen roten oder blauen „Lebensfaden“. Wurde er abgerissen, galt der Betreffende als „tot“. So ließen sich bei jeder Feindberührung mühelos Sieger und Verlierer abzählen. Die anschließenden „Schlachten“, in denen es oftmals wild zuging, wurden häufig in lokalhistorische Geschichten etwa aus der Zeit der Bauernkriege eingebettet. Sie schlossen auch Orientierungsläufe, Gepäckmärsche und Spähtrupps ein. Dabei wurde verinnerlicht, dass Befehlen der Vorgesetzten sofort Folge zu leisten ist.
Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass das OKW mit großer Begeisterung Napola-Absolventen als Offiziersanwärter annahm. Ein Kulminationspunkt war in diesem Zusammenhang der Führerbefehl vom 7. Dezember 1944, in dem es hieß, dass fortan alle künftigen Wehrmachtoffiziere an einer NPEA oder einer Adolf-Hitler-Schule ausgebildet werden sollten. Dies ist ein besonders aussagekräftiger Beleg dafür, wie gut die vormilitärische Ausbildung an den Napolas die Jungmannen aus Sicht der militärischen Fachleute für die Anforderungen des persönlichen Einsatzes im Zerstörungswerk des Krieges vorbereitete.